Linke und Antisemitismus: geht das zusammen?
22. Dezember 2019 | Veröffentlicht von Walter Schumacher, Keine KommentareHeftige Kontroverse bei einem Vortrag von Martin Kloke
„Wie hält es die deutsche Linke mit dem Staate Israel?“:
Der Titel war provokativ genug, um insgesamt 17 Menschen in den VHS-Vortragsraum zu locken – mit einer eindeutigen „linken“ Mehrheit.
Und die Thesen während des Vortrags waren provozierend genug, dass vier BesucherInnen lautstark den Raum verließen!
Der Vortragende Dr. Martin Kloke hat Theologie, Politikwissenschaften und Pädagogik studiert. (siehe hierzu seinen Kommentar zu DIESEM Text)
Er ist verantwortlicher Redakteur für die Fächer Ethik, Philosophie und Religion bei den Cornelsen Schulverlagen in Berlin. Daneben befasst er sich seit vielen Jahren mit der deutsch-israelischen sowie christlich-jüdischen Beziehungsgeschichte [1].
Er beansprucht, in einer historischen Studie erstmals fundierte Belege für linken Antisemitismus vorgelegt zu haben.
Darüber ging auch sein Vortrag, der wie folgt angekündigt war
„Immer wieder scheiden sich daran die Geister. Antisemitismus, so die ketzerische These von Martin Kloke, ist nicht nur in rechten und islamistischen Milieus zu Hause, sondern spukt auch in den Köpfen und Handlungen vieler Linker herum. Öffentlich kommunizierte Judenfeindschaft wird häufig nicht als solche wahrgenommen, sobald sie mit dem Topos der „Israelkritik“ in Verbindung gebracht wird. Zu fragen ist dennoch: Warum arbeiten sich so viele auch linke Menschen an Israel ab? Warum steht Israel unter besonderer Beobachtung einer „kritischen“ Öffentlichkeit – im Gegensatz zur Gleichgültigkeit gegenüber viel gravierenderen Konfliktregionen im Nahen Osten, aber auch anderswo? Warum zeigen sich viele nur dann entsetzt, wenn Juden an einem Konflikt beteiligt sind? Woher kommt das Bedürfnis, Israel als Paria der Völkergemeinschaft hinzustellen?“
Die Argumente im Vortrag sahen deutlich anders aus.
Hierzu folgender Kommentar von Frau Elke Rissmayer an die Verantwortliche der VHS:
„Gestern Abend besuchte ich die o.g. Veranstaltung „Israel, die deutsche Linke und der Antisemitismus“. Ich erwartete einen informativen und vor allem wissenschaftlich fundierten, also auch faktenreichen Vortrag zu diesem Thema.
Leider wurden meine Erwartungen in keiner Weise erfüllt. Dies hatte vor allen Dingen drei Gründe, die ich Ihnen im Folgenden darlege:
1. Soweit mir bekannt, hat die VHS einen Bildungsauftrag. Für ihre außerschulischen Angebote im Bereich der politischen Bildungsarbeit sollte dies – in Anlehnung an das für den Schulunterricht gültige Neutralitätsgebot des Beutelsbacher Konsens – bedeuten:
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- Der Vortrag eines Referenten sollte dem Zuhörer eine umfassende, möglichst objektive und ausgewogene Information zum vorgestellten Thema bieten. Eine Information also, die auf nachprüfbaren Tatsachen beruht und vor allem durch Fakten belegt wird, und die es somit dem Besucher eines solchen Bildungsangebotes schlussendlich ermöglicht, sich fundiert und unter Abwägung der verschiedenen Positionen eine eigene Meinung zu bilden, oder
- Das Angebot zweier separater Veranstaltungen, die in engem zeitlichem Rahmen stattfinden, und in welchen die divergenten Positionen durch entsprechende Referenten dargestellt werden. Auch auf diese Weise wird dem interessierten Besucher die zuvor beschriebene Meinungsbildung ermöglicht.
Eine solche Reihung konnte ich jedoch dem aktuellen Programm der VHS nicht entnehmen. Demnach ging ich davon aus, dass der Vortag dem erstgenannten Kriterium Genüge leisten würde.
Leider erfüllte der Vortag diesen Anspruch nicht nur aus meiner Sicht in keiner Weise: Vorgesetzt wurde den Zuhörern stattdessen ein wissenschaftlich verbrämtes Konglomerat aus biologistischer Sichtweise („Wir alle haben den Judenhass in unserer DNA“), undifferenzierter und pauschalisierender Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus (verdeutlicht durch die Fragestellung „Antizionismus – „ehrbarer“ Antisemitismus?“), Diffamierung der Kritik an der 50jährigen Besatzung der West-Bank durch Israel als „antisemitisch“ sowie der abschließenden Feststellung „nicht alle unfaire Israelkritik ist antisemitisch“ ohne zuvor wissenschaftlich sauber den Begriff der „unfairen Israelkritik“ zu definieren, um diesen von einer „fairen Israelkritik“ abzugrenzen.
Dies sind nur einige der – aus meiner Sicht – unhaltbaren Feststellungen des Vortrags. Fragen der Zuhörer nach Beispielen zum Beleg seiner Aussagen wurden vom Referenten negativ, unter Verweis auf sein Buch beschieden.
Aus dem anschließenden Gespräch mit anderen Besuchern erfuhr ich, dass der Vortrag wohl Bestandteil einer ganzen Vortragsreihe in diesem Semester sei, teils in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), durch die eine extrem einseitige, proisraelische Sichtweise des Palästinakonflikts transportiert werde.
2. Allerdings hat mich nicht nur der Inhalt des Vortrages entgeistert.
Erbost hat mich – ergänzend und im Besonderen – der Vortragsstil des Referenten, vor allem sein Umgang mit kritischen Wortbeiträgen in der abschließenden Diskussion. Herablassend, unverschämt, unverfroren und beleidigend sind die Adjektive, die mir spontan zur Charakterisierung einfallen. Einige Beispiele?
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- Ein Zuhörer bzw. sein Redebeiträge wurden in herablassenden Tonfall als „kognitiv dissonant“ (was immer dies bedeuten soll) gebrandmarkt. Deutlich wurde jedoch, dass der Referent dem Besucher die intellektuelle Fähigkeit zur Beurteilung des, von diesem kritisierten Sachverhaltes absprach.
- Bei einem weiteren Zuhörer wurde dessen Kritik als „Verschwörungstheorie“ abqualifiziert, um sich nicht tiefergehend mit dieser Kritik befassen zu müssen. (Ich persönlich kenne die Verwendung dieser Begrifflichkeit eigentlich nur aus dem Umfeld der AfD und hätte sie bei einem Referenten der VHS nicht erwartet.)
- Die Urteilsfähigkeit eines weiteren Besuchers wurde vom Vortragenden dahingehend in Frage gestellt, dass hinterfragt wurde, „ob er bereits einmal im Nahen Osten gewesen sei bzw. Personen aus diesem Region kenne?“. Wenn nicht, so stünde ihm nicht nur keine qualifizierte, sondern überhaupt keine Kritik zu.
Dies nur einige wenige Beispiele einer Liste, die sich fortführen ließe.
3. Leider wurde mein negativer Eindruck des Referenten und seines Vortrages noch durch einen weiteren negativen Eindruck ergänzt: dem Auftreten bzw. Nicht-Auftreten Ihres Mitarbeiters, Herrn Dux.
Spätestens bei der sehr kontroversen Diskussion am Ende des Vortrags hätte ich mir ein Eingreifen seinerseits gewünscht, zur Versachlichung der Diskussion, vor allem jedoch zur Verhinderung der herabwürdigenden und teils diffamierenden Einlassungen des Referenten.
Stattdessen saß Ihr Mitarbeiter in der letzten Reihe, überließ dem Referenten die Diskussionsleitung und übernahm diese auch nicht – trotz nachdrücklicher Aufforderung durch einige Besucher. Stattdessen ließ er es sogar zu, dass der Referent – trotz weiterer Wortmeldungen – die Veranstaltung sinngemäß mit den Worten abrupt beendete, „es sei nun genug und er sehe keinen Sinn mehr in einer weiteren Diskussion“. Die Proteste der Besucher hinsichtlich dieser unpassenden Entscheidung ließen sowohl der Referent als auch Ihr Mitarbeiter ungehört verhallen.
Ich habe in meinem Leben eine Vielzahl von Vorträgen – sowohl politische als auch unpolitische – besucht, aber noch nie habe ich ein solches unprofessionelles Verhalten derjenigen Person erlebt, die als Vertreter des Veranstalters eigentlich „das Ruder in den Händen halten sollte“, soll heißen, der die Veranstaltung leiten sollte. Gerade eine Veranstaltung, bei welcher mit kontroversen Diskussionen zu rechnen ist, sollte von einer Person geleitet werden, die sich nicht weg duckt, wenn es kritisch wird, sondern die in einem solchen Fall lenkend eingreift. Herr Dux war dazu entweder nicht Willens oder nicht in der Lage. Beides ist aus meiner Sicht unentschuldbar.
Eine abschließende Begebenheit, die ein weiteres Schlaglicht auf die „Qualität“ des Vortrags wirft: Eine Bekannte jüdischen Glaubens verließ nach circa der Hälfte des Vortrags den Raum, weil sie – nach eigener Aussage – die Unsachlichkeit und Einseitigkeit des Referenten nicht mehr ertragen konnte!
Fazit: Aus meiner Sicht wird die VHS mit einer solchen Veranstaltung wie der gestrigen ihrem politischen Bildungsauftrag in keiner Weise gerecht, sondern sie hinterlässt stattdessen beim Besucher den faden Nachgeschmack einer voreingenommenen, statt auf Information lediglich auf Indoktrination angelegten Veranstaltung.
Ich hoffe und erwarte deshalb, dass die VHS diesen Eindruck durch eine Vortragsreihe, oder zumindest durch einen Vortrag „geraderückt“, in welchem die Kritik an der Politik des Staates Israel dargelegt werden kann und die VHS in diesem Sinne dem politischen Neutralitätsgebot des Beutelsbacher Konsens gerecht wird.
Mit freundlichen Grüßen …
Anmerkung
[1] Veröffentlichungen u. a: Israel und die deutsche Linke. Zur Geschichte eines schwierigen Verhältnisses (1990/1994) ¦ Deutsch-Israelische Beziehungen, hrsg. v. der Bundeszentrale für politische Bildung (2015) ¦ Tatsachen und Legenden. Juden, Judentum und Israel in deutschen Schulbüchern (2017) ¦ Deutsche Protestanten und der Sechstagekrieg 1967. Eine Bilanz nach 50 Jahren (2017) ¦ Ist DIE LINKE eine antisemitische Partei? (Herbst 2019)
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