Kriminalisierungsversuche gegen PreisträgerInnen des Aachener Friedenspreises

14. Mai 2018 | Veröffentlicht von , Keine Kommentare

Heftige Kritik des AN/AZ-Redakteurs Marlon Gego am Aachener Friedenspreis

Der Aachener Friedenspreis (AFP) hat die PreisträgerInnen für 2018 benannt. Die Auszeichnungen gehen an das „Peng!-Kollektiv“/Berlin und an „Concern Universal Colombia“/Kolumbien. Die Begründung und weitere Details sind hier nachzulesen.
Diese Auszeichnung und deren Begründung haben nun zu einer heftigen Polemik geführt.

Der Redakteur Marlon Gego [1] hat in den Aachener Nachrichten (AN) und Aachener Zeitung (AZ) einen ausführlichen Artikel geschrieben und den AFP sowie seine PreisträgerInnen heftig angegriffen. Der Artikel trägt die Überschrift „Satire? Provokation? Aufruf zu Straftaten?“ (AN/Seite 2 vom 09.05.2018).

Marlon Gego [1] ist der kraz schon mehrfach wegen seiner Versuche aufgefallen, die Anti-Kohle-Proteste mit unsäglichen Mutmaßungen zu kriminalisieren. Jetzt versucht er das auch gegenüber dem AFP.
Inzwischen hat der Vorstand des AFP in einem offenen Beschwerdebrief an die Redaktionen von AN und AZ [hier] zur Kolumne von Gego Stellung bezogen.
Wir versuchen als kraz beide Seiten darzustellen. Leider dürfen wir nur einige Passagen aus dem Artikel von Marlon Gego zitieren. (Am liebsten würden wir seinen Artikel vollständig dokumentieren, dürfen das aber aus Copyrightgründen nicht.) Da die eine (kritische) Seite in den AN/AZ nur unvollständig vorkommt, dokumentieren wir diese vollständig im Folgenden.
Übrigens: Egal wie es weitergehen wird, die Preisverleihung der PreisträgerInnen 2018 wird wie gewohnt am Antikriegstag (1. September) in der Aula Carolina stattfinden. JEDER ist herzlich eingeladen!

Auszüge aus dem Marlon Gego Artikel vom 9.5.18

[…] dass einer der Träger des Aachener Friedenspreises öffentlich zu Straftaten aufruft, ist für Gerd Diefenbach kein großes Problem. Eigentlich ist es für Diefenbach überhaupt kein Problem, weil er im Aufruf zur Straftat Satire zu erkennen glaubt. Wer deutsche Urlauber dazu aufruft, Flüchtlinge illegal nach Europa zu schleusen, würde doch zumindest „verhindern, dass sie im Mittelmeer ertrinken“

[…] diesen Preisträgern ist gemein, […] sich zu sogenanntem zivilen Ungehorsam bekennen, also zu Gesetzesübertretungen, […] „Die notwendig sind, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen“ – und deswegen ihre eigene Moral über geltendes Recht stellen.

[…] das Peng!-Kollektiv [veröffentlichte] folgende Stellungnahme, und zwar unter Verwendung des Bundeswehr-Logos: „Eine Demokratie braucht Mörder in Uniform.“ Es sollte aussehen wie der Slogan einer Bundeswehr-Kampagne. Auch darin erkennt Gerd Diefenbach Satire, die auf „die Einsätze der Bundeswehr in völkerrechtswidrigen Kriegen aufmerksam machen will“.

Die Gegendarstellung des Aachener Friedenspreises

Sehr geehrte ….,
wir nehmen Bezug auf den Artikel, welchen Marlon Gego am 09.05.2018 auf Seite 2 der Aachener Nachrichten und der Aachener Zeitung veröffentlicht hat. Dieser Kommentar diskreditiert sowohl den Verein Aachener Friedenspreis e.V. als auch die mit unserem Preis ausgezeichneten Gruppierungen.
Es handelt sich hier daher um eine offizielle Beschwerde über die Berichterstattung Ihrer Blätter zum diesjährigen Aachener Friedenspreis bzw. ganz Konkret über Herrn Marlon Gego.
Marlon Gego scheint leider einen Grundsatz des Journalismus nicht ausreichend verinnerlicht zu haben: In erster Linie sollte es immer darum gehen, sachlich und faktenbasiert zu berichten. Leider hat er schon in zahlreichen Artikeln der letzten Monate zum Braunkohleprotest im Rheinischen Revier bewiesen, dass er persönliche Meinungen schlecht von Fakten trennen kann. Seine Wortwahl ist oft sehr tendenziös und er neigt dazu, der Staatsgewalt nach dem Mund zu reden bzw. Menschen ohne Beweise zu kriminalisieren.
Mit dem Aachener Friedenspreis hat Herr Gego sich nun offenbar ein neues Ziel gesucht. Auch hier steckt er Initiativen, die zivilen Ungehorsam, bissige Satire und Provokationen als Protestformen einsetzen, in eine extremistische und kriminelle Schublade. Entweder, Herr Gego hat ein großes Problem mit seinem Ironiedetektor und kreativ-satirischer Anprangerung von kritikwürdigen Umständen [1, wichtiger Hinweis der kraz], oder aber er hat ein sonderbares Demokratieverständnis. Ziviler Ungehorsam ist unserer Meinung nach ein Kernelement von außerparlamentarischer Opposition, Meinungsäußerung und Protest. Er ist somit ein wichtiges politisches Korrektiv, denn Menschen artikulieren damit ihre Meinungen und Bedürfnisse, zu deren Durchsetzung einfaches Wählengehen oft nicht genügt. Gesellschaft und Politik müssen manchmal auch etwas härter mit der Nase auf brennende Themen gestoßen werden, damit diese nicht weiter ignoriert werden können. Dazu sind Mittel der Satire und Provokation genauso legitim wie friedliche Blockaden und Besetzungen. Die Überschreitung von Gesetzen automatisch als unfriedlich zu verurteilen, selbst wenn sie vollständig ohne Gewalt passiert, entmündigt und lähmt beinahe jede Protestform abseits von klassischen Demonstrationszügen.
Der Aachener Friedenspreis e.V. hat sich 2017 mit großer Mehrheit hinter die gewaltfreien Proteste des Jugendnetzwerks für politische Aktionen (JunepA) gestellt und sich dieses Jahr mit ebenso breiter Zustimmung für die Preisverleihung an das Peng!-Kollektiv entschieden. Aktionen friedlichen, zivilen Ungehorsams sind in der Mitgliedschaft Konsens und werden als Pluspunkt für die jeweiligen Gruppen gewertet. Sie erfordern genau die Zivilcourage, die der Aachener Friedenspreis fördern und unterstützen will. Manchmal braucht es gezielte, gewaltfreie Gesetzesbrüche, um auf politische Missstände aufmerksam zu machen. Egal, ob es um Atomwaffen, Braunkohle, Truppenübungsplätze oder soziale Ungerechtigkeit geht: Ohne zivilen Ungehorsam wäre z.B. die Rassentrennungspolitik in den USA nie abgeschafft worden.
Eine Demokratie, in der ziviler Ungehorsam kriminalisiert und unmöglich gemacht wird, verliert ein wesentliches Mittel der freien Meinungsäußerung und ein sehr kraftvolles Mitbestimmungsinstrument. In der Form von Demokratie, die Herr Gego sich scheinbar wünscht, möchten wir nicht leben.
Mit friedlichem Gruß ….
Vorstand des Aachener Friedenspreis

— Leserbrief Aachen von Herrn Heuser am 10.05.2018 —

Trau ich meinen Augen? Ist das Provokation? Nimmt da jemand seinen Kampfauftrag wahr? Aus jeder Zeile dieses prominent auf Seite 2 platzierten Artikels spricht Böswilligkeit und der Versuch, den Aachener Friedenspreis in die Ecke der Sympathisanten von Gesetzesbrechern und Förderern von Straftaten zu stellen. Dagegen protestiere ich auf das Schärfste! Im schäbigen Versuch einen Gegensatz im Vorstand des Friedenspreises zu konstruieren, suggeriert der Autor nebenbei, die einfältigen Gutmenschen in diesem Gremium hätten die Wahl des Preisträgers „Peng! Kollektiv“ nicht zu verhindern gewusst. Da sollte er sich mal mit der Satzung und dem Wahlprozedere des Friedenspreises beschäftigen.

Marlon Gego – merken sie sich diesen Namen – ist bei seinem Bericht über die Pressekonferenz nicht in der Lage gewesen, eine provokativ satirisch arbeitende Initiative neutral zu würdigen. Dass die für jeden halbwegs gebildeten und informierten Bürger dieses Landes erkennbar satirischen Überspitzungen in ihren Aktionen und Äußerungen zu ihrem Medienkonzept gehören, ist dem Journalisten in der Pressekonferenz offensichtlich liebevoll und mehrfach erläutert worden. Nützt aber nichts. Denn da will einer ja unbedingt Straftatbestände beschwören. Man merkt die Absicht und ist verstimmt. Signifikantes Beispiel für eine widerliche Praktik dieser Art von Journalismus ist es, ein Halb-Zitat zu bringen, korrekt in Anführungszeichen gesetzt, und dann mit Gedankenstrich seine wertende Aussage unmittelbar folgen zu lassen. Wollen Sie ein Beispiel? Marlon Gego schreibt in diesem Artikel: „Die notwendig sind, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen“ – und deswegen ihre eigene Moral über geltendes Recht stellen.

Ich empfehle sehr, dass Journalisten sich kundig machen, bevor sie zur Tastatur greifen und ihre beschränkte, ggf. von tradierten Überzeugungen oder gar von Anbiederung an bestimmte Kreise geprägte Sicht der Dinge einem breiten Publikum zumuten. Wenn dieser, offensichtlich junge Mann, sich mit der Geschichte des Aachener Friedenspreises im Vorfeld beschäftigt hätte, wenn er sich die beeindruckende Liste der Preisträger mit ihrer Wirksamkeit für „Frieden schaffen von unten“ auseinandergesetzt hätte, und wenn er die Laudatio eines Heribert Prantl oder einer Sonia Seymour Mikich zur jeweiligen Preisverleihung gehört oder vielleicht sogar gelesen hätte, es wäre zu dieser Fehlleistung nicht gekommen. Es sei denn, es gab einen Auftrag, so zu schreiben.
Heinrich Böll und Walter Jens, die vor dem Atomwaffenlager in Mutlangen demonstriert haben, wären diesem Journalisten natürlich auch zum Ziel geworden – Straftäter, was denn sonst – Atomkraftgegner, Waldschützer, Blockierer von Nazidemos: alles was zivilen Ungehorsam in Anspruch nimmt, um Missstände, Gefahr oder himmelschreiendes Unrecht öffentlich und bewusst zu machen, kommt für ihn in diese Kategorie. Mir graust schon jetzt vor seiner Berichterstattung, wenn es wieder um die Braunkohle und den Hambacher Forst geht.

Eine Bitte an den verantwortlichen Redakteur und/oder Ressortleiter habe ich: Schicken Sie zur nächsten Pressekonferenz des Aachener Friedenpreises einen Menschen, der nicht aus dem Schützengraben kommt. Und der sich nicht als Kombattant in der großen Schlacht des Rechts gegen die armen Teufel, die Satire und ggf. zivilen Ungehorsam als einziges Mittel haben, ihre Sicht der Dinge öffentlich zu machen. Und ja, er sollte auch über Grundkenntnisse der Satirekunde verfügen und einer journalistischen Ethik verpflichtet sein.

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[1] Hier noch ein Hinweis auf einen lesenswerten blog aus Übach, der sich sehr kritisch mit Herrn Marlon Gego befasst:

 

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