Kapitalismus – eine Planwirtschaft, die sich Marktwirtschaft nennt

6. Februar 2014 | Veröffentlicht von Hannes Rader / ws, Keine Kommentare

So oder so ähnlich könnte man Ulrike Herrmanns Vortrag „Der Sieg des Kapitals“ am vergangenen Dienstag im Haus der Evang. Kirche zusammenfassen. Geladen hatten die Veranstalter der Vortragsreihe Einwände! Rund 200 Gäste kamen. Der Saal war buchstäblich bis auf den letzten Platz – und darüber hinaus – gefüllt.

Rhetorisch schlechter als erwartet, inhaltlich umso stärker, erklärte Ulrike Herrmann, Buchautorin und taz-Redakteurin, eklatante Missverständnisse über unser Wirtschaftssystem, die sie ausführlich in ihrem Buch (Angaben siehe unten) beschreibt.

Eine Auswahl der wichtigsten Punkte

1. Geld gab es schon immer und entstand aus Schuldverhältnissen.

2. Geld schafft kein Wachstum und keine Werte.

3. Geld hat (an sich selbst) keinen Wert.

4. Wir leben nicht in einer Marktwirtschaft sondern im Kapitalismus. Dieser neigt unter anderem zu Konzentration und Monopolstrukturen. Dadurch kann es keine freien Märkte geben. Vielmehr sorgt der Kapitalismus für Strukturen, die einer privaten Planwirtschaft gleichkommen → Gewinne werden planbar (Beispiel Ackermann/Deutsche Bank: 25% Rendite).

5. Finanzmärkte sind keine Märkte. Auf Märkten bilden sich Preise frei durch das Zusammenkommen von Angebot und Nachfrage. Auf Finanz“märkten“ ist der Zins der Preis. Und dieser wird, wie jeder weiß, allgemeinverbindlich festgelegt. In ihrem Buch gibt sie weitere Beispiele von Lebensbereichen, die als Märkte bezeichnet werden, aber nicht wirklich welche sind.

6. Kapitalismus ist nicht das Gegenteil von Staat. Vielmehr sind und waren beide voneinander abhängig.

7. Die treibende Kraft im Kapitalismus ist nicht der Markt, sondern technischer Fortschritt.

Eine sehr gute Zusammenfassung ihres Buches gibt es auf den NachDenkSeiten.

Doch Herrmann doziert nicht nur, sie appelliert auch und zwar an uns, unser Wirtschaftssystem nicht den „Experten“ zu überlassen und sich einzumischen. Sie warnt vor den Folgen und Konsequenzen, die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entscheidung haben, die auf der trügerischen Annahme beruhen, man lebe in einer Marktwirtschaft.

Vehement beklagt sie die fehlende Transformationsforschung. Für sie liegt es auf der Hand, dass der Kapitalismus bald zu Ende sein wird. Dieses Ende und der Übergang in ein anderes System (ökologische Kreislaufwirtschaft würde sie bevorzugen) wird nicht friedlich, sondern brutal und chaotisch geschehen.

Diskussion & Drum-Herum

Die anschließende Diskussion war wie immer spannend, fast besser als der Vortrag selbst. Auch das Drum-Herum (Wein, Wasser, Infos & Austausch) war wie immer gelungen. Einziges Manko: In manchen Quellen kursierten falsche Uhrzeiten, sodass einige Besucher viel zu spät kamen. Das darf nicht noch einmal passieren, liebe Einwände!-Leute.

Einwände! ist eine Veranstaltungsreihe von Attac-Aachen in Kooperation mit LOGOI (Institut für Philosophie und Diskurs), der Volkshochschule Aachen und eeb (Evangelisches Erwachsenenbildungswerk im Kirchenkreis Aachen). Ziel ist es, gängige Klischees, Vorurteile und Erklärungsversuche zur Euro-, Wirtschafts- und Politikkrise in Europa zu hinterfragen und auf andere Weise zu beleuchtet. Alle Infos dazu, finden sich hier.

Das Buch

Ulrike Herrmann:

Der Sieg des Kapitals – Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen

Westend, 2013

ISBN 978-3-86489-044-4

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