Der letzte Atemhauch von Tihange-2 – endlich!

4. Februar 2023 | Veröffentlicht von , Keine Kommentare

Das Ende eines Risse-Atom-Reaktors

um 23:30: T2 ist das rechte AKW

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch wurde ‚unser‘ Risse-AKW Tihange-2 endgültig abgeschaltet [1]. Einige Aktivisten haben sich die Nacht um die Ohren geschlagen, um diesen besonderen Moment am Dienstagabend mitzuerleben.
Am Mittwoch wurde diese Abschaltung dann auch in Aachen am Elisenbrunnen von ca. 150 Menschen gebührend gefeiert.

In der kraz hatten wir mehrfach über das Ende dieses („unseres“) Risse-Atommeilers berichtet. Ebenso über das Ende des baugleichen (ebenfalls von tausenden Rissen durchzogen) „Schwester“-Reaktors Doel-3 bei Antwerpen, der schon am 1.10.2022 abgeschaltet worden war.

— Der letzte Abend von Tihange-2 —

Tagsüber hatten sich diverse TV-Teams vor der AKW-Anlage in Tihange eingefunden. Auch eine Gruppe von PRO-Atomkraftleuten von ’nuclearia‘ hatten vor Ort eine Kundgebung FÜR den Weiterbetrieb gemacht (siehe hier)

Da an diesem letzten Januarabend 2023 die Betriebsgenehmigung für das AKW Tihange-2 endgültig auslaufen würde, wollten einige Leute vom „Aktionsbündnis gegen Atomenergie Aachen“ (AAA) zwei Dinge:

  1. Selber sehen und überwachen, dass die Abschaltung WIRKLICH erfolgt
  2. Diesen „letzten Abend“ im überschaubaren Kreis gemeinsam vor Ort miterleben und mit Champagner begießen, ohne deshalb gleich eine Kundgebung o.ä. anzumelden.

Dazugekommen waren noch Mitstreiter aus Lüttich, weil man – unabhängig von der jeweiligen Nationalität – schließlich gemeinsam gekämpft hatte und jetzt auch gemeinsam auf die Abschaltung prosten wollte.
Leider waren – wie schon bei der Abschaltung des anderen Risse-Reaktors Doel-3 in Antwerpen – auch diesmal nur wenige Leute erschienen.

Die Bilder sind beeindruckender als die Wirklichkeit

Trotzdem war es ein ganz besonderes Gefühl, im Angesicht der sich in der Maas spiegelnden Lichter dieser riesigen, technischen Anlage zu sehen, wie auf dem anderen Ufer aus dem Kühlturm von Tihange-2 dann immer weniger Wasserdampf ausströmte und schließlich um Mitternacht T-2 endlich seinen „letzten Atem“ aushauchte …

Die beiden anderen Anlagen liefen und qualmten weiter – und waren so das Mahnmal dafür, dass hier zwar eine wichtige Schlacht gewonnen wurde, nicht aber der Krieg gegen DIE Atomkraftanlagen!

Es gab keinerlei spektakuläre Momente dabei, keine Geräusche – gar nichts. Und sosehr die eindrucksvollen Bilder es auch suggerieren (TV-Leute haben nachgefragt weil sie eine Sensation witterten, aber es war keine): Es gab keine Feuer – das rote Leuchten war nur der Widerschein der Positions-/Warnlampen im Wasserdampf der Kühltürme – für Flugzeuge.

Für die Beobachter wurde eine lange, eiskalte Nacht – aber mit der Vorfreude auf die „offizielle“ Verabschiedung vom AKW am Folgetag in Aachen:

— Der erste Tag ohne den Risse-Reaktor —

Auch dieser Tag begann für einige AktivistInnen mit diversen TV- und Radioanfragen. Ansonsten wurde es ein normaler Mittwoch – abgesehen von den Vorbereitungen der

Abendveranstaltung in der Rotunde

Die Veranstaltung am Elisenbrunnen fand bei extrem ungemütlichem Wetter statt und konnte nicht VOR, sondern nur IN der Rotunde gemacht werden. „Glücklicherweise“ kamen aber „nur“ 150 Menschen, sodass alle dort gut vor dem Regen – leider nicht vor der Kälte – geschützt waren. Durch diese Umstellung gab es dann leider technische Probleme („Spiegelverkehrt) bei der „Dia“-Show, mit der an die vielen Stationen des Widerstandes gegen Tihange erinnert wurde.

Rückblicke

Trotzdem hörte man bei fast jedem Bild von den Zuschauern Rufe des Wiedererkennens „.. da waren wir doch auch… “ und „… erinnerst Du dich ….“
Es war wohl für alle Anwesenden eine tolle Erinnerung an die vielen Stationen eines langen Kampfes, den wir hier nochmal tabellarisch aufführen:

es war NICHT die Vernunft der verantwortungslosen Verantwortlichen, die die beiden Reaktoren vom Netz gebracht hat, sondern …

  • es waren über 100 deutsche, belgische und niederländische Gemeinden, die unter der Führung der Städteregion Aachen den juristischen Kampf aufnahmen
  • es waren die vielen kritischen hochrangigen Experten auf unseren Konferenzen mit ihren technischen und wissenschaftlichen Analysen
  • es war das Fußballspiel der Alemannia Aachen gegen den 1. FC Köln II, das unter dem Motto „Stop Tihange“ mehr als 20.000 Besucher in den Aachener Tivoli lockte
  • es war die Spedition Hammer, die einen riesigen LKW mit der Aufschrift „Stop Tihange“ auf die Reise nach Belgien schickte
  • es war die Mayersche Buchhandlung, die über Jahre hinweg bis zum heutigen Tag, ein riesiges „Tihange Abschalten“-Schild in ihrem Schaufenster führt
  • es waren mehrere Petitionen von kleinen bis zu einer mit fast 500.000 Unterschriften …
  • es waren dutzende Demonstrationen in Belgien, den Niederlanden und Deutschland
  • es war die 90 km lange Menschenkette mit weit über 50.000 Teilnehmern vom AKW-Tihange über Lüttich, Maastricht bis nach Aachen
  • es war das Start-up gridX, das an den Kühltürmen von Tihange eine Protest-Laser-Show initiierte
  • es war der Walk of Tihange – „Zu Fuß“ in 10 Stunden von Tihange nach Aachen
  • es waren die belgischen, niederländischen und deutschen Anti-AKW-Gruppen die den Protest ins Dreiländereck trugen
  • es war jeder und jede Einzelne, der gegen die Schrottreaktoren protestiert hat

ES WAR UNSER ALLER PROTEST UND ES WAR EUER ENGAGEMENT!

Wir feiern deshalb die Stilllegung von Tihange 2 am 1. Februar von 18 – 20 Uhr am Aachener Elisenbrunnen und laden euch herzlich ein!

Die Beiträge in der Rotunde

Es gab diverse Reden von den Organisatoren. Und natürlich wurden auch einige der von weither angereisten Personen begrüßt: Da war die Materialwissenschaftlerin Ilse Tweer, die bei mehreren Konferenzen des AAA entscheidenden Anteil an der Analyse der Risse hatte. Da war Helge Bauer als Vertreter für ‚ausgestrahlt‘; der Organisation, die dem AAA bei der Menschenkette im Hintergrund unverzichtbar beigestanden hat und da war Herr Etschenberg, der ab 2015 als CDU-Mann und damaliger Städteregionsrat ein überraschender, aber ebenfalls wichtiger Mitkämpfer für die Schließung von T2 war.

Es gab musikalische Begleitung durch das Duo „Bärbel & Susanne und zum Abschluss spielten unter Mitsingen der Anwesenden Josi & Kurt den „Domschatzwalzer“, DER Klassiker der Aachener Anti-Atombewegung!

Die Ein-Satz-Reden

Aber als Kernpunkt des Abends waren „Ein-Satz Reden“ geplant. JedeR sollte die Möglichkeit haben, genau einen (sic!) Satz am Mikrofon zu sagen, bei oder mit welcher Sache sie/er zum Erfolg gegen Tihange beteiligt war!
Wie das Leben so spielt, wurden diese „einen-Satz-Reden“ dann doch etwas länger als geplant. Und dadurch wurden in den kurzen Beiträgen die unterschiedlichen Motivationen und Interessen sichtbar, aus denen heraus das jeweilige Engagement gegen die Risse-Reaktoren erfolgt war:

  • einige hatten nichts gegen „Atomkraft an sich“ sondern AUSSCHLIEßLICH etwas gegen den Risse-Reaktoren,
  • andere wollten die VOLLE Lösungen (d.h. die Abschaltung ALLER AKWs) und waren dadurch natürlich auch frustriert, weil schließlich „nur“ T2 und D3 abgeschaltet wurden.

Aber letztlich waren an diesem Abend alle glücklich bei ihren Erinnerungen – weil: wirklich ALLE Anwesenden waren in der einen oder anderen Weise an der Stilllegung von Tihange-2 beteiligt!

Die Verleihung des „STOPPER*IN“ – Ordens

Die Veranstalter hatten sich dann noch eine Besonderheit für „das Feiern“ ausgedacht: JedeR die/der an der Schließung von T-2 in irgendeiner Form beteiligt war, sollte auch einen Orden für ihre/seine Beteiligung erhalten.
Das ganze hatte natürlich einen leicht ironisierenden Touch, war aber eindeutig NICHT als Beitrag zum Karneval gedacht (auch wenn das alles wegen der Aachener Stadtfarben „gelb-schwarz“ passend gewesen wäre ….) sondern sollte eine ernsthafte Anerkennung der jeweiligen Bemühungen sein und als Bestärkung empfunden werden, dass ‚Kämpfen‘ sich lohnt! (Hinweis an die LeserInnen: Das Design dieses Orden „STOPPER*IN“ ist wohl überlegt und verdient eine genauere Betrachtung !!!)
An dem Abend konnten natürlich nur die Anwesenden mit dem Orden bedacht werden. Aber das AAA wird Folgeveranstaltungen organisieren, auf denen erneut Orden vergeben werden – und natürlich kann das eigene Interesse daran auch vorsorglich schon mal beim AAA angemeldet werden! (Hier die unvermeidbare Werbeeinlage: Die Produktion von Orden kostet Geld. Denkt also an entsprechende SPENDEN!)

Der neue Aufkleber „Tihange-2 gestoppt durch uns!“

Die Veranstalter hatten noch eine weitere Besonderheit vorbereitet:
Es gibt ab sofort einen neuen Aufkleber, der die Abschaltung von Tihange-2 darstellt!

Das AAA bitte alle LeserInnen, sich diesen Aufkleber bei Leuten vom AAA zu besorgen und dann großflächig zu verbreiten:

„Tihange ist gestoppt!“

Diese erfreuliche Nachricht verdient eine weite Verbreitung!

Und es gab Sekt – wieder mal

Im letzten Teil der Veranstaltung war dann „feiern“ angesagt.
Vor 7 Jahren (!) hatte das AAA vorsorglich schon mal ein Veranstaltung „Feiern üben“ auf dem 3-Länder-Eck organisiert (siehe den kraz-Artikel hier)
Von dem damaligen Event gab es jetzt noch 12 Flaschen mit dem Etikett „xxx“ von 2016. Daher konnte DIESMAL auf die tatsächliche Schließung angestoßen werden!
Vorsichtshalber hatte das AAA weitere 60 (sic!) neue Sektflaschen besorgt, was letztlich dann doch etwas zu viel war. Aber wer konnte schon vorauszusehen, wie viele Leute ‚zum Mitfeiern‘ kommen würden, …. und da gilt natürlich die Devise:
lieber „zu viel“ Sekt als „zu wenig“!!

Zum Abschluss stand die Frage im Raum: Wie geht es weiter??

Während und auch nach der Veranstaltung hatten natürlich die meisten diese Frage im Kopf: Jetzt sind die beiden Risse-Reaktoren abgeschaltet. Aber es gibt noch fünf weitere in Belgien. Drei davon laufen bis 2025 und zwei sind bis 2035 (sic!) verlängert worden.

==> Was machen wir da? Wie geht’s jetzt weiter??

Im AAA wird genau das auch diskutiert und eine Strategie muss entwickelt werden.
Klar ist dabei: Der Kampf gegen AKWs geht weiter!

  • Atomkraft ist eine gefährliche Technik.
  • Die AKWs sind mittlerweile allesamt schon über 40 Jahre in Betrieb. Und um so älter sie werden, desto störanfällig werden sie.
    Daher wird das AAA auch weiterhin gegen die laufenden AKWs ankämpfen!
  • Und jeder weiß. was danach noch auf uns zu kommt:
    Der Kampf um die Endlagerproblematik!.

Als Résumé bleibt nur zu sagen
==> Der Kampf geht weiter!

Anmerkungen
[1] Da stand bis zum 7.2.23, 14 Uhr das Wort: „ANgeschaltet statt ABgeschaltet- ein außerordentlich blöder Schreibfehler; sorry!

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