Eine Trinität der Verantwortungslosigkeit

27. Dezember 2015 | Veröffentlicht von Ullrich F.J. Mies / ws, Keine Kommentare

Zur Analyse der Triebkräfte des AKW-Betreibers Electrabel

AtomSymbolFolgender Kommentar bewertet die aktuellen Ereignisse bei den maroden Atomkraftwerken Tihange und Doel. Es geht nicht um die Beschreibung weiterer Ereignisse, sondern um eine Analyse der politischen Rahmenbedingungen, in die diese Ereignisse eingebettet sind.

Trinität der Verantwortungslosigkeit

Man wundert sich tatsächlich über gar nichts mehr. Weite Teile der europäischen Bevölkerungen haben ganz offensichtlich jede Illusion hinsichtlich der positiven Gestaltungsfähigkeit der herrschenden politischen Klassen in Europa aufgegeben. Sie machen sich zum Opfer eines marktradikalen Wettbewerbseuropas, das kulturell verwahrlost, sozial verwüstet und intellektuell auf den Profit-Hund gekommen ist und von seinen politischen „Eliten“ in Grund und Boden regiert wird.

Statt Zukunftsgestaltung Spekulation & Pokern

Tatsache ist: Die Politik hat aufgehört, im Sinne einer verantwortungsvollen Zukunftsgestaltung für Menschen und Umwelt zu handeln. Stattdessen betreiben sie das Gegenteil und setzen unser aller Zukunft aufs Spiel. Zum Beispiel, indem sie die von Banken- und Kapitalhasardeuren angerichteten Spekulations-Schäden in Billionenhöhe auf die Steuerzahler abwälzen.
Aktuell geht es um etwas sehr Konkretes vor unserer Haustür: Die Atomschrott- & Risse-Reaktoren in Tihange und Doel bei Antwerpen.
In unermüdlicher Arbeit und unter großem Einsatz haben einige wenige Aktivisten den technisch katastrophalen Zustand der genannten Atomkraftwerke öffentlich gemacht und auf die Gefahren hingewiesen, die sich hieraus ergeben. Auch nach dem erneuten Hochfahren der Reaktoren mussten diese aufgrund von Komplikationen mehrfach abgeschaltet werden.

Profitinteresse erzeugt Feldversuch mit dem Leben der Bevölkerung

Das pure Profitinteresse der Eigentümer von Electrabel,  ihrer Manager und die unerträgliche Ignoranz und Willfährigkeit der belgischen Politik hat diese Trinität der Verantwortungslosigkeit nunmehr bewogen, einen Feldversuch völlig neuen Charakters durchzuführen: Die Atomenergie-Produktion mit Schrott-Reaktoren unter billigender Inkaufnahme der Geiselnahme eines erheblichen Teils der europäischen Bevölkerung. Soweit bekannt, ist dies ein Novum in der europäischen Atomenergie-Produktion, die sich stets rühmte, auf dem neuesten technischen Stand und unter den bestmöglichen Sicherheitsstandards zu produzieren.
Man darf gespannt sein, wie lange die Technik das verantwortungslose Spiel der verantwortungslosen Betreiber mitmacht.

AKWs als strukturelle Gewaltausübung

Nennen wir die Dinge beim Namen und lassen uns von den Beschwichtigern der political-correctness-Industrie nicht den Verstand vernebeln oder den Mund verbieten: Das ist brutale strukturelle Gewalt in ihrer maximalen Form.
Bei nüchterner Betrachtung der Sachlage könnte eigentlich auch Eigentümern, Managern und Politikern klar sein, dass auch sie als Verantwortliche im Falle eines Super-GAU [1] zu den Verlierern gehören werden. Es gibt nach dem Super-GAU keine Gewinner, nur Verlierer. Der Super-GAU kennt keine Klassenunterschiede und verteilt die Folgen gleichmäßig auf arm und reich,  auf Verantwortliche und Nichtverantwortliche.  Offensichtlich glauben die Betreiber und ihre willfährigen politischen „Kontrolleure“, es werde niemals dazu kommen.

AKW-Sicherheit als Mystik

Und genau hier wird das Ganze in höchstem Maße unwissenschaftlich und der menschliche Verstand (so man ihn für eine rationale Kategorie hält) verliert sich im Nebel des Mystischen. Der Glaube hat vielfältige Erscheinungsformen: Manche glauben immer noch an den Menschen als „Krone der Schöpfung“, andere an die Sicherheit von Schrott-Reaktoren. Wer den Glauben zur Gewissheit erklärt, der handelt verantwortungslos, ignorant und zählt zu den wahren „Gefährdern“.

… und nach dem Super-GAU?

Da sich die Verantwortungsübernahme der „Trinität“ im Nebel des Mystizismus verliert,  sollten sich die „Verantwortungsträger“ einige Fragen stellen, die sich auf ihre eigenen Überlebenschancen nach einem Super-GAU beziehen:

  • Was glauben die Verantwortlichen wird mit Ihnen geschehen, sollte einer der Reaktoren in die Luft fliegen und Ihnen die Flucht nicht gelingen?
  • Glauben die Verantwortlichen wirklich,  nach einem Super-GAU stünden noch ausreichend „Sicherungs“-Kräfte zu ihrem Schutz bereit,  um sie vor massiven Übergriffen zu bewahren?
  • Glauben die Verantwortlichen im Ernst, ihre persönliche Sicherheit sei nach einem Super-GAU noch im entferntesten gewährleistet, wenn Tausende auf Rache sinnen?
  • Was glauben die Verantwortlichen werden die Betroffenen gegen sie unternehmen, wenn sie ihnen die Lebensgrundlagen aufgrund ihrer kaltschnäuzigen Verantwortungslosigkeit ruinieren?
  • Glauben die Verantwortlichen tatsächlich, die betroffene Bevölkerung würde nach dem fehlgeschlagenen Feldversuch mit den genannten Schrott- & Risse-Reaktoren untätig bleiben und sich mit der Einnahme von Jodtabletten ruhig stellen lassen?

[1] Super-Gau ist das schlimmere Ereignis als ein GAU.
GAU ist eines der Schön-Sprechworte der Nuklearindustrie. Der ‚größte anzunemhnede Unnfall‘ ist aus deren Sicht nämlich der, den sie noch zu beherrschen glauben. Aber es gibt auch andere. Bisher sind das mindestens Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima.

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