Vom BaBuLa bis zum Bula39

3. Juni 2024 | Veröffentlicht von , 4 Kommentare

Das Ende einer Buchladen-Ära

Jeder linke Student kannte Ende der 60er und in den 70ern den BaBuLa (Basis-Buchladen) in der oberen Pontstrasse 139. Wer linke Literatur kaufen wollte – der fand dort alles was ein linkes Herz haben wollte.
Dieser Laden lebte später weiter im BuLa39 in der unteren Pontstrasse – aber seit Mittwoch, dem 29. Mai 2024 ist dieses linke Traditionsprojekt nur noch Geschichte!

Kommunistische, linke und anarchistische Zeitschriften & Flyer im Eigendruck

Der Charme im BaBuLa waren nicht nur die linken Bücher, sondern in noch viel stärkerem Maß die diversen linken Publikationen, die größtenteils nicht über offizielle Vertriebswege liefen sondern von den verschiedensten linken/kommunistischen/anarchistischen Gruppen angeliefert wurden: vom Pflasterstrand über den AK (Arbeiterkampf), von der KVZ (Kommunistischen Volkszeitung) bis zur Zeitung der GIM, von der Graswurzelrevolution bis zu feministischen Untergrundzeitungen: dort konnte alles erworben werden, was es in der BRD der 70er bis 90er zu lesen gab.
Und bis 2015 lag im Bula39 immer die jeweils aktuellste Ausgabe der „Weltrevolution“!

Vom BaBuLa zum BuLa39

Die damalige politische Bewegung „Basisgruppen“ hatten das Konzept erfunden, dass parallel zum Kauf der normalen Bücher fürs Studium auch politische Literatur gekauft werden konnte. Und sie haben mit diesem Konzept den Bücherladen über viele Jahre in der oberen Pontstrasse betrieben.

Dann gab es Änderungen im Kollektiv des Bücherladens. Die genauen Hintergründe sind der kraz nicht bekannt, aber irgendwann war „Elisabeth“ Eigentümerin des BaBuLa geworden und mit dem Laden in die untere Pontstrasse Nr. 39 gezogen, direkt neben das „Che“, dem roten Haus, das damals besetzt worden war, um danach über viele Jahre DER Treffpunkt und Veranstaltungsort für politische Veranstaltungen zu werden, ohne jede Zensur – „canceln“ war damals unter Linken noch unbekannt!

Später verstarb Elisabeth. Ihr Partner Termo führte den Bula39 weiter als „linken Buchladen“.
Vor vier Jahren ging er in Rente und übergab den Laden an Sonja Pütz, die dann aber leider feststellen musste, dass sich die kommerziellen Welten im Buchhandel entscheidend geändert hatten:

  • Linke Literatur läuft deutlich ’schlechter‘ als früher
  • die Konkurrenz von amazon & co nimmt sich ein großes Stück vom kommerziellen Kuchen „Bücherverkauf“
  • und selbst die kaufwillige Kundschaft hatte echte Problem den Laden zu erreichen, weil die Baustellen-politik der Stadt eine Anfahrt mit dem Wagen enorm schwer machte.

Ein Wort zur Konkurrenz von Amazon & Co – aus marxistischer Sicht

Vordergründig sind Lieferdienste natürlich sehr unschön und unkommunikativ. Aber jeder „Linke“ weiß: So funktioniert nun mal der Kapitalismus. Es geht nicht um Gefühle oder um eine angenehme städtische Kultur; es geht um die kommerzielle Ausnutzung des kleinen Vorteils jeder einzelnen Käuferentscheidung – und da ist die Verführung ein Buch im Internet zu bestellen und das am nächsten Tag es ins Haus geliefert zu bekommen natürlich groß.

Und selbst aus ökologischer Sicht ist eine Buchauslieferung via Lieferdienst umweltfreundlicher als wenn jeder einzeln in die Stadt fährt und sich dort sein Buch abholt. Nur – schön im Sinne einer Stadtkultur ist es wahrlich nicht.

Es bleibt die Trauer über den Verlust einer Institution. Mind. 55 Jahre ‚linker Bücherkauf‘ sind seit dem 30.5.24 „Geschichte“.

Des letzte im Bula39 gekaufte Buch des Schreibers dieser Zeilen

Der Schreiber dieser Zeilen hatte sich das Buch „Kognitive Kriegsführung: Neueste Manipulationstechniken als Waffengattung der NATO“ ohne Wissen der Schließung bestellt und am Mittwoch – etwa drei Stunden vor der endgültigen Schließung des Ladens – das Buch abgeholt. Von diesem Zeitpunkt stammen die beigefügten Bilder des halb-ausgeräumten Ladens Bula39.
Auch ohne jede Sentimentalität sei das Buch allen KriegsgegnerInnen zur Lektüre empfohlen!

Anmerkungen

[] hier ein link zur Geschichte des Babula

 

Leser haben 4 Kommentare hinterlassen.

  • Bruno hat kommentiert am

    Sehr schade. Wieder ein Buchladen der schließt.
    Schöner Artikel der die Magie des Buchladens rüberbringt. Bei AMAZON gibt es keine Beratung.

  • „den BaBuLa (Basis-Buchladen)“

    Uns damals in den 1980er-Jahren besser bekannt als der „Buchladen 39“ in der unteren Pontstraße – hier durfte ich meine erste Lesung meiner lyrischen Texte präsentieren und kaufte meine Bücher ausschließlich dort, auch, um die damalige Inhaberin Elisabeth Küpers zu unterstützen.
    Es ist sehr traurig und ein typisches Zeichen für diese über alle Maßen digitalisierte und vor allem geistlose Zeit, dass solche Buchläden schließen müssen. Damals wurde noch viel gelesen, man war süchtig nach geistigem Input, heutzutage beschäftigen sich sämtliche Generationen sinnbefreit mit dem Handy, immer auf der Jagd nach neuen Apps (mit immer neuen Überwachungsfunktionen) und verlieren ihr Leben aus den Augen und die meisten ihre Kinder…
    Nicht nur Amazon trägt Schuld am Schließen von Buchläden, natürlich auch solche typisch kapitalistischen „Bücher-Fabriken“ wie die Mayersche, die fernab eines Buchladen-Charmes und der Beratung durch gelernte BuchhändlerInnen keine echte Konkurrenz sind.
    Und linke/anarchistische/kommunistische Literatur ist heute weder gefragt noch passt sie ins Konzept der Mayerschen…
    Nach erfolgtem Bücherkauf ging’s damals direkt ins Café Kittel, gleich nebenan.

  • Bruno hat kommentiert am

    Also, ich kaufe auch lieber in kleineren Buchläden, aber zwischen Amazon und Mayersche liegen doch Welten 😉
    Mehr lesen, Leutchen!

    • Robert Schmid hat kommentiert am

      Ein toller Bericht ueber die zwei Buchläden, kenntnisreich, faktenbelegt und unterhaltsam, Chapeau!
      Der Pontstrassen-Laden konnte und wollte es hinsichtlich linker Fachkenntnisse seinem Vorgänger Babula nicht das rot gefärbte Wasser reichen, aber sie richteten sich mit ihrem Sortiment zugegebenermassen auch an eine breiter aufgestellte Leserschaft. Die Buchhaendlerinnen von 39 glänzten indes zwar mit gefächertem Wissen, aber es mangelte ihnen leider bisweilen an Freundlichkeit.
      Ganz der Gegensatz zum Personal am Anfang des Babula, wo auch Leute der Praxis, linke Theorie-Lokalgroessen und Kenner der internationalen Arbeiterbewegung wie Wilfried Dubois, hinter und vor allem vor der Theke standen und mit Akribie Auskünfte nicht nur über die Erbsen im Barte Karl Marxens, sondern auch über einschlägige Kunstbücher, exotische Zeitschriften Essays und Stars der linken Szene in den USA Auskunft gaben.

      Wer erinnert sich nicht an die hilfsbereite einarmige Aggy, die mit Wahnsinnsgeschwindigkeit im LIBRI blättern konnte und eine wandelnde Enzyklopädie linken Wissen verkörperte.

      Schließlich lauerte auf den groben Holzregalen des Babula manches Bleibrett auch die blauen Bände der MEW unf sogar Lenins fragwürdigen Werke, die mit dem Medaillen-Kopf auf dunkelbraunem Kunststoffeinband.

      Allein: so überzeugend Marxens Analyse des Kapitalismus auch heute noch wirkt, so diktatorische war dann überall die Praxis in den pessimistisch des real existierenden gerontologischen Sozialismus, dessen Fans dann wohl auch lieber den DKP-Buchladen „Adam Kuckhoff“ am Loehergraben aufsuchten.

      Heute bewegen die politisch korrekt politisch geputzte Linke ohnehin eher der Geschlechterkampf als der Klassenkampf, LGBT mehr als FAU(D)und DGB, die Banalität des Blöden vielleicht auch, manchmal schlicht Unterhaltung genannt. Darauf waren beide Buchläden augenscheinlich nicht von Kopf bis Fuß eingestellt, ihr zeitlich stark versetztes Verschwinden aus der Pontstrasse ist trotzdem bedauerlich, weil wo eine Lücke im Regal ist, da ist auch AMAZON, bei AMAZON, da wird es mir nur schauerlich!

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