„Rettung“ vor Corona notwendig?

17. Januar 2021 | Veröffentlicht von , 8 Kommentare

oder erleben wir nur eine künstliche Hysterie?

Aktuell kursiert in der sich als links-fortschrittlich verstehenden Aachener Szene ein Aufruf zu einem ganz harten Lock-Down mit dem Titel „Das Ziel heißt Null Infektionen! Für einen solidarischen europäischen Shutdown“. Es wird ein scharfer Strategiewechsel für die Corona-Politik verlangt, den wir in der kraz dokumentieren [1].
Dieser Aufruf wird die Konfrontation zwischen den Lagern der unterschiedlichen Einschätzungen von Corona und den sich daraus abzuleitenden Maßnahmen nochmal erheblich zuspitzen.

Die einen werden den anderen vorwerfen, sie würden durch Nichtbefolgen von ‚ZeroCovid‘ den „Tod Tausender anderer“ wissentlich in Kauf nehmen, während die anderen weiterhin bezweifeln, dass die genannte exorbitante  Gefahr überhaupt in dem behaupteten Maß existiert.

Ist ein „totaler Lock-Down“ sinnlos oder notwendig?

Fakt ist: Dieser ZeroCovid-Aufruf kann nur unter drei Bedingungen irgendeinen Sinn machen:

  • Es müsste nachgewiesen werden, dass Corona für viel mehr Menschen tödlich ist, als es die schweren Grippenwellen (trotz vorhandener Impfungen!) der letzten Jahre waren.
  • Die geforderten totalen Lock-Down-Maßnahmen müssten eine weniger SCHÄDLICHE Wirkung auf die Menschen haben als die Corona-Krankheit an sich.
  • Die tatsächliche Wirksamkeit eines totalen Lock-Downs müsste nachgewiesen werden.

In der kraz haben wir in den letzten Monaten häufig von den Zweifeln über das wirkliche Ausmaß der Tödlichkeit von Corona und von heftiger Kritik an den staatlichen Maßnahmen berichtet. Und weil der vorliegende ZeroCovid-Aufruf diese Diskussion erneut anheizen wird, dokumentieren wir den Text um unseren LeserInnen die Möglichkeit zu entsprechenden Kommentaren zu geben (Bitte Klarname verwenden, ansonsten werden wir löschen)

Zur Denkanregung noch einige Positionen zum Aufruf

Anmerkung

[1] #ZeroCovid: Das Ziel heißt Null Infektionen! Für einen solidarischen europäischen Shutdown

Nach einem Jahr Pandemie sind wir in ganz Europa in einer äußerst kritischen Situation. Tausende Menschen sterben jeden Tag und noch viel mehr erkranken. Das neue Coronavirus breitet sich rasend schnell aus, von Mutationen noch beschleunigt. Die Maßnahmen der Regierungen reichen nicht aus: Sie verlängern die Pandemie, statt sie zu beenden, und gefährden unser Leben.

Die Strategie, die Pandemie zu kontrollieren, ist gescheitert („flatten the curve“). Sie hat das Leben dauerhaft eingeschränkt und dennoch Millionen Infektionen und Zehntausende Tote gebracht. Wir brauchen jetzt einen radikalen Strategiewechsel: kein kontrolliertes Weiterlaufen der Pandemie, sondern ihre Beendigung. Das Ziel darf nicht in 200, 50 oder 25 Neuinfektionen bestehen – es muss Null sein.

Wir brauchen sofort eine gemeinsame Strategie in Europa, um die Pandemie wirksam zu bekämpfen. Mit Impfungen allein ist der Wettlauf gegen die mutierte Virusvariante nicht zu gewinnen – erst recht nicht, wenn die Pandemiebekämpfung weiter aus aktionistischen Einschränkungen der Freizeit ohne Shutdown der Wirtschaft besteht. Wir setzen uns dafür ein, dass die Sars-CoV-2-Infektionen sofort so weit verringert werden, dass jede einzelne Ansteckung wieder nachvollziehbar ist. Das entschlossene Handeln etlicher Länder hat gezeigt, dass es möglich ist, die Verbreitung des Virus zu beenden.

Wir orientieren uns am internationalen Aufruf für die konsequente Eindämmung der Covid-19 Pandemie in Europa, den Wissenschaftler*innen am 19. Dezember 2020 initiiert haben.1 Wir sind allerdings überzeugt, dass die Eindämmung des Sars-CoV-2 Virus nur gelingen kann, wenn alle Maßnahmen gesellschaftlich solidarisch gestaltet werden. Darum fordern wir diese unerlässlichen gesellschaftlichen Maßnahmen:
==> weiter hier https://zero-covid.org/

Leser haben 8 Kommentare hinterlassen.

  • Thomas Sommer hat kommentiert am

    Innerhalb linksradikaler (oder auch „fortschrittlicher“) Strukturen gab und gibt es in dieser Frage keine Differenzen. Selbstverständlich wurden und werden klar antikapitalistische Positionen vertreten. Die aktuelle Kampagne #ZeroCovid bildet lediglich den Diskussionsstand der bundesweiten Vernetzung ab.

    Die Kraz sollte sich mangels Bezug weniger Gedanken um „links-fortschrittliche Szene[n]“ machen, sondern lieber weiterhin das Geschehen im eigenen braunen Sumpf zuverlässig dokumentieren. Dafür lesen wir sie schließlich.

  • Franz-Josef Surges hat kommentiert am

    ja, der eigene braune, antisemitische Sumpf der KRAZ sollte einmal richtig dokumentiert werden.

    So einfach geht das……

    Franz-Josef Surges

  • Herzlichen Dank an die Kraz-Redaktion für die Eröffnung dieser Diskussionsplattform!
    Hier mein Kommentar zu ‚zero covid‘:
    Vor der Veröffentlichung dieses Aufrufs hätten die Verfasser sich mal darüber schlau machen müssen, ob der in dem Aufruf ‚Zero Covid‘ geforderte „europäische Shutdown“, also Lockdown- und Quarantänemaßnahmen, „zur raschen und nachhaltigen Reduktion der Covid-19-Fallzahlen“ überhaupt taugt!

    Ich kenne allein drei Studien zu Lockdown- und Quarantänemaßnahmen, die die Tauglichkeit solcher Maßnahmen „zur raschen und nachhaltigen Reduktion der Covid-19-Fallzahlen“ verneinen:

    1.: 28.Dezember 2020: https://sciencefiles.org/2020/12/28/explosive-studie-asymptomatische-falle-nicht-ansteckend-kein-grund-fur-lockdowns/

    Aus der sehr umfangreichen Studie sei hier nur folgendes zitiert,

    Vom 14. Mai 2020 bis zum 1. Juni 2020 waren alle Einwohner von Wuhan aufgerufen, sich auf SARS-CoV-2 testen zu lassen.
    Von rund 10. 650.000 Einwohnern haben 93 % an den angeordneten Tests teilgenommen
    Der Massentest erbrachte KEINEN neuen Fall von COVID-19-Erkrankung, aber 300 asymptomatische Fälle, also Personen, die keine Krankheitssymptome aufweisen, die aber positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden.
    Ein nachfolgender Antikörpertest zeigte, dass nur 63,3% der zuvor positiv Getesteten überhaupt infiziert waren, was eine Fehlerrate von 36,7% durch den PCR-Test entspricht.
    Für alle 300 asymptomatisch Getesteten wurden Kontaktpersonen nachverfolgt, insgesamt waren das 1.174 Personen. Keine der Kontaktpersonen wurde positiv auf SARS-CoV-2 getestet.

    Mein Fazit: Wer keine Covid-Symptome hat, ist auch bei engen Kontakten nicht ansteckend.

    2.: Erschienen im ‚New English Journal of Medicine‘ am 11. November 2020; in Deutschland veröffentlicht von Ullrich Mies in der Ausgabe vom 9. Januar des ‚Demokratischen Widerstand‘, https://archiv.demokratischerwiderstand.de/media/W1siZiIsIjIwMjEvMDEvMDkvMWQ4aHVtdDY1Ml8zMl9XaWRlcnN0YW5kXzIwMjFfMDFfMDlfbmljaHRvaG5ldW5zLmRlLnBkZiJdXQ/32_Widerstand_2021_01_09_nichtohneuns.de.pdf?sha=565f05458a13141e S.4,  hier gekürzt wiedergegeben:

    „Von 3.143 neuen Rekruten der US-Marines stimmten 1.848 zu, an einer Studie unter extremer Quarantäne teilzunehmen. Diese 1.848 Rekruten begaben sich vom 12. Mai bis zum 15. Juli 2020 in Quarantäne. Die anderen Rekruten dienten als Kontrollgruppe.

    Ergebnis: Von den 3.143 Rekruten testeten die Forscher 77 Personen positiv auf SARS-CoV-2. Mehr als zwei Drittel der Fälle traten in der streng überwachten Gruppe auf. Mit einer Ausnahme zeigte kein positiv Getesteter Symptome. Wider Erwarten war trotz der Durchsetzung extremer  Maßnahmen wie Isolierung, Masken-Tragen, Desinfektionsmaßnahmen sowie häufiger Tests der Infektionsgrad in der Quarantäne-Gruppe höher als in der Kontrollgruppe.“

    3.: Erschienen am 5. Januar 2021  in der https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/eci.13484

    Titel: „ASSESSING MANDATORY STAY-AT-HOME AND BUSINESS CLOSURE EFFECTS ON  THE SPREAD OF COVID-19

    BEWERTUNG DER AUSWIRKUNGEN VON OBLIGATORISCHEM ZU HAUSE BLEIBEN [ also Quarantäne] UND GESCHÄFTSSCHLIESSUNGEN [also Lockdown] AUF  DIE AUSBREITUNG VON COVID-19

    Eine Studie von hochrangigen Wissenschaftlern wie Prof. Ioannidis an der US-amerikanischen Stanford University;

    Aus der Zusammenfassung der Studie:

    „Hintergrund und Ziele: Die restriktivsten nicht-pharmazeutischen Interventionen zur Kontrolle der Ausbreitung von COVID-19 sind Quarantäne und Betriebsschließungen. Angesichts der Konsequenzen dieser Maßnahmen ist es wichtig, ihre Auswirkungen auf das Wachstum der Epidemie zu bewerten.

    Methoden: Die Verfasser untersuchten das Wachstum der COVID-19-Fälle in Abhängigkeit von Quarantäne-Maßnahmen und Betriebsschließungen in Regionen von 10 Ländern: England, Frankreich, Deutschland, Iran, Italien, Niederlande, Spanien, SüdKorea, Schweden und den USA.  Sie verwendeten  das Fallwachstum in Schweden und Südkorea, zwei Ländern, die keine Quarantäne-Maßnahmen und Geschäftsschließungen eingeführt haben, als Vergleich.

    Fazit: Die Verfasser fanden  keine signifikanten Auswirkungen auf die Ausbreitung von COVID-19 durch Quarantäne-Maßnahmen und Geschäftsschließungen.“

    Soviel zum „Shutdown

  • Marc Stetzkovsky hat kommentiert am

    Dass es innerhalb der außerparlamentarischen Linken keine Differenzen bezüglich der Gefährlichkeit dieses Virus und keine Kritik an der sich volkshygienisch rechtfertigenden Einschränkung der Grundrechte gäbe, ist gelogen. Allein die auf dieser Seite bereits dokumentierte Erklärung einer Aachener Gewerkschaftinitiative genügt, um das zu wissen. Und auch die „Aachener für usw.“ sind links – zumindest verglichen mit der hiesigen Gruppe Diskurs, die so rechtsoffen ist, dass sie sogar mit der Katholischen Hochschulgemeinde zusammenarbeitet.

    Hier zwei Hinweise:

    https://www.feministischerlookdown.org/

    https://aufruhrgebiet.de/2020/11/fuer-maskenverordnungen-und-politisch-links-vertraegt-sich-das/

    http://redaktion-bahamas.org/artikel/2021/86-mitmachen-wollen-wir-nie/

    …nur eine zufällige Auswahl.

  • Barbara Roßkamp hat kommentiert am

    Ich begrüße eine Initiative, die den Blick auf die Verlierer der Krise richtet und eine neue Strategie fordert. Es bleibt m.E. die wesentliche Frage offen.
    Ich finde es hervorragend, wenn unter Punkt 5 gefordert wird, „Darum verlangen wir die Einführung einer europaweiten Covid-Solidaritätsabgabe auf hohe Vermögen, Unternehmensgewinne, Finanztransaktionen und die höchsten Einkommen.“
    Ebenso wichtig ist Punkt 3 („Ausbau der sozialen Gesundheitsinfrastruktur“): „Das Personal muss in diesem Bereich aufgestockt werden. Die Löhne sind deutlich anzuheben. Das Profitstreben im Gesundheits- und Pflegebereich gefährdet die kollektive Gesundheit. Wir verlangen die Rücknahme bisheriger Privatisierungen und Schließungen. Die Finanzierung von Krankenhäusern über Fallpauschalen sollte durch eine solidarische Finanzierung des Bedarfs ersetzt werden.“
    Den Punkt 4 würde ich gerne mit der Forderung ergänzen, dass gleichhohe Summen wie bei der Entwicklung von Impfstoffen, für die Erforschung von Medikamenten gegen die akute Covid-19-Erkrankung bereitgestellt werden.
    Ernsthafte Schwierigkeiten sehe ich bei Punkt 1, bei dem es heißt, „gesellschaftlich nicht dringend erforderlichen Bereiche der Wirtschaft für eine kurze Zeit stilllegen.“ Große Konzerne seien angeblich Systemrelevant – also dringend erforderlich. Während große Teile des Handwerks tatsächlich unverzichtbar sind (oder wer soll den Rohrbruch reparieren?). Viele kleine und mittelständige Betriebe sind STILLGELEGT. Von Gaststätten, Kultur-, Touristikbranche ganz zu schweigen.
    Fraglich ist die Forderung, dass „die BESCHÄFTIGTEN die Maßnahmen in den Betrieben selber gestalten und gemeinsam DURCHSETZEN“ (wenn da mal die Geschäftsführung und potenzielle Aktionäre mitspielen)
    Ich fürchte Punkt 2 ist reines Wunschdenken. Wie soll im Shutdown (also auch bei Quarantäne) Hilfe aussehen bei Menschen „in beengten Wohnverhältnissen“? Wie soll man Menschen „in einem gewalttätigen Umfeld“ finden, wenn die Betroffenen isoliert zu Hause sitzen? „Sammelunterkünfte müssen aufgelöst, geflüchtete Menschen dezentral untergebracht werden“ – das sind alte Forderungen, selbstverständlich weiterhin wichtig. Gleichzeitig sollten wir zukünftig Alternativen zu „Sammelunterkünften“ für alte Menschen entwickeln. Jede Sammelunterkunft ist insgesamt unwürdig, aber eben praktikabel, kostengünstig und/oder abschreckend (gern genommen bei Flüchtenden).
    Jetzt wird es m.E. richtig problematisch, „das ERSTE Ziel ist, die Ansteckungen auf Null zu reduzieren“ mit hartem Shutdown für „einige Wochen“. Das ist kein Strategiewechsel. Einige Länder hatten sehr strenge Shutdowns und der Virus ist nicht weg. Er wird nicht mehr aus der Welt zu schaffen sein! Und der nächste Virus oder eine Mutation wartet schon.
    Wir sollten umdenken! Auch hier in den reichen Nationen können wir den Tod trotz hochwertiger Technik nicht verhindern (zumal das Gesundheitswesen und das Personal seit Jahren am Limit ist). Das mag sich grausam anhören. Aber, es sterben TÄGLICH ca. 14.000 Kinder an Hunger [1]. Unsere Gesellschaft hat das tragischerweise bisher gut weggesteckt. Genau wie all die vielen anderen Toten: Flüchtende z.B. im Mittelmeer, in Lagern an Europas Grenze, Tote durch Krankenhauskeime oder z.B. Tote durch Feinstaub.
    Strategiewechsel würde für mich bedeuten:
    – alles für die erfolgreiche Behandlung der Covid-19-Erkrankten zu tun,
    – erkennen, dass ein großer Teil der Infizierten nicht erkrankt.
    – massiven Ausbau der Gesundheitsinfrastruktur,
    – Impfstoffe und Medikamente der privaten Profiterzielung entziehen und der gesamten Menschheit bereitstellen,
    – umfassende Rettungspakete für alle Benachteiligten dieser Gesellschaft,
    – Abgaben auf hohe Vermögen, Unternehmensgewinne, Finanztransaktionen und die höchsten Einkommen.
    So komme ich zu dem Schluss, dass die Initiative wohlgemeint ist, aber an der Realität vorbei geht. Im Kapitalismus werden letztendlich immer die Schwachen zahlen – gerade für die langfristigen Folgen eines Komplett-Shutdowns. Auf drastische Kürzungen im Sozialbereich werden wir uns in Zukunft vorbereiten müssen. Die wesentliche Frage ist m.E., WER soll die Forderungen von ZeroCovid durchsetzen. Wer garantiert uns, dass die „solidarische Pause von einigen Wochen“ den Virus dauerhaft verschwinden lässt.

    [1] „Im Jahr 2018 sind 5,3 Millionen Kinder noch vor ihrem fünften Geburtstag aufgrund von Unterernährung verstorben.“ Quelle: https://www.welthungerhilfe.de/hunger/kinder-und-hunger/ zuletzt aufgerufen am 19.01.2021

  • Klaus P. Schleisiek hat kommentiert am

    Blinder Eifer schadet nur!

    Die Initiative „ZeroCovid“ fordert einen harten Lockdown um die Seuche zu besiegen. Dass dies sein Ziel verfehlen muss und nur Schaden anrichten kann, ist bereits wissenschaftlich erforscht. Siehe:
    https://tkp.at/2021/01/11/stanford-studie-mit-top-medizin-wissenschaftler-ioannidis-zeigt-keinen-nutzen-von-lockdowns/

    Eine auch politische Betrachtung dazu unter dem Titel „ZeroCovid: Ein Irrweg der Linken“ ist hier zu finden:
    https://multipolar-magazin.de/artikel/zerocovid-irrweg

    Die Freunde der Initiative können leicht über die Links hinweg blättern, ohne sich nutzlos aufzuregen.

  • Markus K. hat kommentiert am

    Bei mir dreht sich alles im Kopf wenn ich von so einer Initiative lese.
    Durch die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus sind laut verschiedenen NGO’s weltweit bis zu 130.000.000 Menschen MEHR von akutem Hunger bedroht als vorher. Das sind vor allem Menschen aus armen Ländern die im Durchschnitt viel jünger als unsere Bevölkerung sind und dadurch auch nicht ein so hohes Risiko haben, einen schweren Verlauf bei einer Corona-Infektion zu erleiden. Wer international denkt und sich als links bezeichnet, muss doch bei Forderungen nach einem noch härteren Lockdown auch abwägen, was er damit weltweit durch die Maßnahmen anrichtet.

    Nun fordert die Initiative ja auch „nur“ einen Lockdown für Europa. Aber dann macht das alles keinen Sinn. Entweder Lockdown Weltweit oder wir prügeln die Zahlen in Europa runter, wenn das denn überhaupt mit einem Lockdown funktioniert, und dann warten wir ein paar Monate oder bis zum nächsten Winter und sind dann wieder da wo wir jetzt sind. Oder wollen die ZeroCovid-Fans danach die Grenzen geschlossen halten? Weil das dann auf einmal auch links ist?

    Ich war auch ein paar Wochen verängstigt, als das Virus ausbrach, vor einem Jahr. Aber als der Niedersächsische Innenminister Pistorius im März letzten Jahres Gefängnisstrafen für Fake-News über Corona forderte, wurde mir abschließend klar, wo die Reise hingeht. Wir erleben einen radikalen Abbau an demokratischer Partizipation, es gibt Hassrede gegen Andersdenkende auch in öffentlich-rechtlichen Medien, Maßnahmengegner werden als Corona-Leugner bezeichnet und so sprachlich mit Holocaust-Leugnern assoziiert und die angekündigten Hilfen für Kleinstbetriebe und Mittelstand werden immer zu spät und oft nur teilweise ausgezahlt, während die Lufthansa ihre 9 Milliarden zügig erhalten hat. An die Menschen bzw. Politiker die dies alles zu verantworten haben einen Appell zu richten und mehr von dieser Medizin zu fordern ist maximal daneben! Ein paar warme Worte am Schluss des Appells, dass alles solle gesellschaftlich solidarisch durchgeführt werden, machen es nicht besser. Jeder, der ein bisschen realistisch denken kann, weiß, dass das nicht so kommen wird.

    Und zum Schluss noch etwas zur Debatte darüber, ob die Maßnahmenkritiker, also sogenannte Corona-Leugner, sich mit Rechten gemein machen, weil einige Rechte auf Demos gegen Maßnahmen aufgetaucht sind: Ich habe selber erlebt, dass mir jemand aus dem Publikum auf einer Kundgebung gegen die Maßnahmen in Aachen rechtes Gedankengut näher bringen wollte und ich mehrmals energisch ablehnen musste. Dieser Person konnte das niemand von außen ansehen, weil sie weder Fahne dabei noch irgendein Logo auf den Klamotten hatte, also konnte auch niemand im Vorfeld einschreiten, weil es einfach nicht sichtbar war, welchen Ideen dieser Mensch anhängt. Um das aber in Zukunft gerade in solchen Fällen zu verhindern, müssten viele Linke Menschen auf den Demos gegen die Maßnahmen mitlaufen, damit derart gestörte Zeitgenossen schnell zum Verlassen aufgefordert werden können. Sich stattdessen reflexartig von der berechtigten Kritik an den Maßnahmen zu distanzieren und stattdessen mit den Politikern einzulassen bzw. sich an diese zu wenden und mehr von der Medizin zu fordern, die die Welt nach knapp einem Jahr an den Rande des Abgrundes geführt hat und Millionen Hungertote bewirkt ist falsch. Ich denke die Unterstützer von zerocovid lassen sich hier mit den falschen ein, nicht die Linken die auf Demos gegen unsinnige und schädliche Maßnahme mitlaufen und versuchen den Rechten bei diesem berechtigten Anliegen nicht die Straße zu überlassen.

    Markus K.

  • Marc Stetzkovsky hat kommentiert am

    Was bei dem Zero-Covid-Aufruf aufällt, ist, dass die europäischen Bevölkerungen dem Begriff „Gesellschaft“ subsummiert werden; eine Abstraktionleistung, die mal eben locker die verschiedenen sich in imperialistischer Konkurrenz aufeinander beziehenden Nationalstaaten, die sich ihre Bevölkerungen als Staatsvölker organisieren und auf diese Weise für den je eigenen Imperialismus nutzbar machen, beiseite schiebt.

    Tatsächlich aber dürfte die idealistische Einforderung von gesellschaftlicher Solidarität sich an den realen nationalen Interessengegensätzen sehr schnell blamieren, da die volkshygienische Verpflichtung auf einen Lockdown eben genau das ist: der staatliche Abruf des jeweiligen nationalen staatsbürgerlichen Plichtbewusstseins.

    Denkbar ist die Durchsetzung eines solchen Lockdowns aber durchaus unter den Bedingungen der imperialistischen Supprematie einer der Konkurrenten, der aus der krisenhaft verschärften Konkurrenz der europäischen Nationalstaaten siegreich hervorginge.

    Mir scheint, dass solche linksradikalen Gruppen wie die Interventionistische Linke, die als Unterstützerin des Aufrufs auftritt und im Raum Aachen aktiv ist, sich im Grunde wenig von den ethnopluralistischen Globalisierungskritikern der neuen Rechten unterscheiden. Die Differenz ist eine der moralischen Wertung und ein bißchen der Semantik: Ist die Globalisierung – oder hier: das transnationale Tun der europäischen Bevölkerungen – für diese radikale Linken eine sich letztlich aus der Konzentrationstendenz der konkurrierenden Einzelkapitale ergebende Notwendigkeit, die im Sinne eines humanistischen Ideals zu begrüßen ist; ist für die neue Rechte, die neuerdings gelernt hat, sich genauso vulgärmarxistisch auszudrücken, die Entnationalisierung letztlich Schicksal degenerierter Völkerschaften, das Abzuwenden nur ein Gott die Macht hätte.

    Worte und Vorstellung mögen sich unterscheiden, die logische S t r u k t u r ist diesselbe: Ein überindividueller Vorgang wird hypostasiert zudem nurmehr ein V e r h a l t e n möglich ist, der aber eine bewußte verändernde P r a x i s ausschließt. Die rechte Position ist eine Affirmation des Ausganspunktes, die linke Position wäre hier eine Bejahung des vorgestellten Endpunktes eines Geschehens, das sich hinter dem Rücken der Menschen oder über sie hinweg ereignet.

    In diesem Sinne wird unter dem Titel „solidarischer Lockdown“ das vorweggenommen, was als Zielpunkt vorgetstellt wird: ein bewusstloser Massenstreik de facto als Medium der sozialen Transformation.
    Eine soziale Transformation, die in Gang gesetzt werden soll mit Hilfe des falschen Bewusstseins der Insassen der nationalen Kapitalstandorte.

    Sie wissen es nicht, aber sie tun es.

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