Radunfall – verlieren die Schwächeren immer?
3. Mai 2015 | Veröffentlicht von ADFC-Aachen / ws, Keine KommentareLenkerbügel-Modell „Wilhelmstraße“
Auf der Wilhelmstraße, ein ganzes Stück vor dem Kaiserplatz, verursacht ein PKW-Fahrer einen Unfall mit Personen- und Sachschaden an einem Radfahrer. Aus strukturellen Gründen wird vermutlich statt des Täters das Opfer den kommenden Rechtsstreit verlieren. Wir berichten aus der Sicht des Unfallopfers.
Eigentlich ist die folgende Geschichte ja ’ne ernste Sache, aber fangen wir doch mal mit dem lustigen Teil an: Das Foto zeigt das neu designte Lenkerbügel-Modell „Wilhelmstraße“: vor Ort auf Maß angefertigt und bestens dafür geeignet, auch auf den in Aachen anzutreffenden, oftmals viel zu schmalen Fahrrad-„Schutzstreifen“ fahren zu können, ohne dabei anzuecken.
Das Motto: Was nicht passt, wird passend gemacht.
Nun der weniger witzige Teil der Meldung:
Auf dem Weg zur 1. Mai Demo hat es mich heute Morgen nun doch endlich mal wirklich (nicht immer nur: fast) erwischt.
Ich bog zusammen mit einigen KFZs aus der Gottfriedstraße links in die Wilhelmstraße (Richtung Kaiserplatz) ein und orientierte mich dabei Richtung Schutzstreifen in der Wilhelmstraße.
Kurz nach dem Einfahren dort bemerkte ich extrem dicht (unter 10 cm Abstand) neben mir einen dunklen Golf, der mich immer weiter nach rechts abdrängte. Ich beschimpfte ihn deshalb recht lautstark. Da er aber offensichtlich auf die Rechtsabbiegespur Richtung A-Weg wollte und ich geradeaus, bremste ich (wie ich finde: vorbildlich defensiv) etwas ab, um ihn vorzulassen, weil er mich ja ohnehin spätestens in ein paar Sekunden überholt hätte.
Er kam dann auch wie gewünscht etwas vor mich. Dann wurde aber auch er immer langsamer, weshalb ich beschloss, ihn nun links zu überholen. Was ich zu spät bemerkte, war, dass er jetzt plötzlich sehr stark bremste – dieses Bremsmanöver machte er aber ca. 150 Meter VOR dem eigentlichen Abzweig zum Adalbertsteinweg.
Der Crash
Daher habe ich es leider nicht mehr an seiner hinteren linken KFZ-Ecke vorbei geschafft und bin ziemlich derbe dagegen gesemmelt. Was ich wo mit welchem Körperteil getroffen habe, weiß ich nicht mehr so ganz genau, jedenfalls krachte unter mir das Fahrrad sehr unsanft auf die Fahrbahn, offenbar auf den linken Handgriff, den ich zu dem Zeitpunkt anscheinend zum Glück nicht mehr in der Hand hatte, denn die linke Hand gehört zu den wenigen Extremitäten, an denen ich keine blauen Flecken oder Schürfwunden habe. Ich weiß nicht, ob ich mit dem Oberkörper gegen das Auto gekommen bin, jedenfalls fand ich den Aufprall ziemlich heftig und dachte dabei auch schon: „Das kann ja heiter werden!“ Auf irgendetwas bin auch noch mit dem Kopf leicht aufgeschlagen, denn auch dort habe ich eine kleine Prellung.
Dafür, wie sich das im ersten Moment anfühlte, bin ich selber aus der Sache aber verhältnismäßig wenig lädiert heraus gekommen. Ich war aber eine zeitlang doch stark benommen, konnte mich insofern in dieser Situation nicht um meine rechtlichen Interessen kümmern. Beratung durch die Polizei in dieser Situation: Leider Fehlanzeige! Nicht einmal beim Wegräumen und Anschließen meines demolierten Fahrrades waren sie behilflich.
Zeugen
Es gab zwei Zeugen (im Auto hinter uns), die aber leider nur mein Auffahren auf den Golf beobachtet hatten, und die die Polizei „freundlicher Weise“ in der mir übergebenen „Unfallmitteilung“ auch nicht erwähnt hat. (Hoffentlich haben sie sie anderweitig notiert!) Die Zeugen waren zu mir sehr nett und haben die Unfallstelle gesichert (ich war ja in der rechten Geradeausspur der Wilhelmstraße aufgeschlagen), und sie haben auch die Polizei angerufen.
Die Polizei hatte ihrerseits einen Rettungswagen (RTW) angefordert, obwohl ich das beim Anruf der Zeugen bei der Polizei eigentlich abgelehnt hatte. Der RTW kam dann auch kurz nach der Polizei, weshalb ich zunächst gegenüber der Polizei nicht viele Angaben machen konnte. (Das war – wie sich später zeigen sollte – recht fatal.) Denn die RTW-Besatzung bat mich sehr unmissverständlich (aber sehr freundlich, hilfsbereit und fürsorglich) in ihr Fahrzeug, um mich dort erstmal genau anzuschauen und dann erst-zu-verarzten. Die wollten mich dann auch unbedingt ins Klinikum zum Durchchecken bringen, was ich zu dem Zeitpunkt noch ablehnte. In der ganzen Zeit hat mein Unfall-Gegner in aller Ruhe seine Sicht der Dinge gegenüber der Polizei darstellen können.
Das Opfer ist der Schuldige
Als ich aus dem RTW wieder rauskam, waren die Zeugen weg, was ich nicht schlimm fand, weil ich ja dachte, die seien erfasst worden. Aber die Polizei war auch schon beim Aufräumen und wollte eigentlich nichts mehr von mir, außer mir mitzuteilen, dass es ja so aussehe, als sei ich der Schuldige an dem Unfall. Daraufhin habe ich dem Polizisten, der mir das sagte, noch versucht zu erklären, dass das Ganze ja eine Vorgeschichte gehabt habe. Das interessierte ihn aber nicht mehr. Er meinte nur, dafür würde ich ja eh noch ins Verkehrskommissariat eingeladen. Die Sache wird für mich also vermutlich doch noch recht aufwändig, es sei denn, dass die Zeugen auch bezeugen können, dass der KFZ-Lenker ohne erkennbaren Grund vor mir sehr heftig abbremste.
Glücklicherweise nicht-schwer-verletzt
Dann kam da zufällig noch eine gute alte Bekannte des Weges, die mich erfolgreich „bearbeitet“ hat, mich im Krankenhaus „durchchecken“ zu lassen. Nach so viel Überzeugungsarbeit habe ich dem dann doch noch zugestimmt. Daher war aber auch dann keine Zeit mehr, mit den PolizistInnen zu reden. Im Klinikum hat man dann aber nicht viel mehr gemacht als im RTW, außer zusätzlich sicherheitshalber den Bauchraum zu ultraschallen (wegen der Suche nach evtl. unbemerkten inneren Verletzungen), und es gab auch noch vorsorglich ’ne Anti-Tetanus-Impfung.
Danach bin ich dann doch noch zur 1. Mai Demo gefahren (Bus) und gegangen. Dort kam ich allerdings nur noch „pünktlich“ zum Schlusswort von Hannelore Kraft an. Weil auch da nicht so rechte Bierlaune bei mir aufkommen wollte, bin ich zum Unfallort zurück gelatscht. Dort stellte ich tröstlicher Weise fest, dass mit ein bisschen Lenker-Drehen, Kette-wieder-aufziehen und dem Richten der ein oder anderen Schutzblechstrebe das Rad tatsächlich noch fahrbar war. Ich bin dann ganz vorsichtig und langsam damit nach Hause gefahren.
Soweit zum Unfall. Was jetzt noch kommt, ist das juristische Nachspiel, was für mich vermutlich leider blöd verlaufen wird, wenn die Zeugen das Ausbremsen durch den KFZ-Fahrer nicht bestätigen können. Anders werde ich es wohl kaum beweisen können …
——
Soweit der Bericht des Unfallopfers. Mal schauen. wie es denn mit der Gerechtigkeit für schwache Verkehrsteilnehmer im Straßenraum geht. Dieses Unfallopfer war bisher jedenfalls 40 Jahre unfallfrei mit dem Fahrrad in Aachen unterwegs. Über den Fortgang der Geschichte werden wir von der kraz berichten.
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