„Aachener Tribunal“ gegen Russland
24. November 2014 | Veröffentlicht von Walter Schumacher, Keine KommentareEin Aachener Tribunal statt Aachener Dialog
In Aachen fand am 22.11. zum dritten Mal seit 2011 ein „Aachener Dialog“ statt, der sich mit der „europäischen Sicherheitsarchitektur“ befasst. Schon der Einladungstext (Anhang) hatte aber vermuten lassen, dass das mehr ein „Tribunal gegen Russland“ als ein „Dialog über Frieden“ werden würde.
Protest vor dem Rathaus
Deshalb hatte das Anti-Kriegs-Bündnis Aachen (AKB) zum Protest vor dem Rathaus aufgerufen, dem etwa zwanzig KriegsgegnerInnen gefolgt waren. In einer kleinen aber effektiven Aktion wurden
Schilder mit der Aufschrift „Frieden ist nur mit und nicht gegen Russland möglich“ und „Schluss mit der Einkreisungspolitik gegen Russland“ gezeigt; zuerst am Rathauseingang, dann an der Treppe.
Es gab Kritik, aber deutlich mehr Zustimmung durch Passanten und Besucher des Weihnachtsmarktes – auch wenn die mit einer wahrlich anderen Stimmung dorthin gekommen waren! Gegen Ende kam die Polizei, alles sehr freundlich und gelassen.
Die Veranstaltung im Krönungssaal
Einige Mitglieder des AKB haben anschließend der Veranstaltung im Krönungssaal beigewohnt. Alle Vorurteile, dass es zu einem Tribunal gegen Russland statt eines Dialogs kommen würde, wurden leider bestätigt.
Es ging in den Beiträgen generell um „die Aggressivität Russlands“, es ging um „die kriegerische Annexion der Krim“ (es fehlte offenbar der Wunsch, verbal abzurüsten und wenigstens mal von einer „Session der Krim-Bewohner von der Ukraine“ zu sprechen. Die „Ausweitung der NATO nach Osten“ wäre nur die natürliche Reaktion auf die Wünsche der Bevölkerung in den östlichen Staaten …
Festgestellt wurde eine vorkriegsähnliche, spannungsgeladene Konfliktsituation zwischen Russland und der NATO. Und der eigentliche Verursacher ist Russland!
Hebel der Diskussion waren die (unbestrittenen) schweren demokratischen Mängel in Russland – wobei vergleichbare Mängel in den westlichen NATO-Staaten überhaupt nicht erwähnt wurden.
Warum nicht wenigstens der Versuch eines Dialogs?
Auf die Frage an den Veranstalter (Friedrich-Ebert-Stiftung), warum denn hier nur ein Tribunal veranstaltet würde, wenn doch niemand auf dem Podium eingeladen ist, der auch FÜR die russischen Seite Positionen beziehen würde (bspw. russische Botschaft o.ä.), wurde geantwortet, dass die russische Botschaft nicht reagiert hätten. Auf weitere Nachfrage kam dann heraus, dass der Veranstalter auch erst vor zwei (sic!) Wochen angefragt habe.
Die Interessen des anwesenden Militärpersonals
Unter den ca. 200 ZuhörerInnen im Saal waren ca. 25% Uniformierte – sehr viele Sterne, wenig bis keine Mannschaftsgrade. Ein Vier-Sterne-Offizier (Stabshauptmann ) aus dem Publikum konnte sich in seinem Beitrag – nachdem er breit ausgeführt hatte, wo er alles schon im Ausland im Einsatz gewesen war – die Peinlichkeit nicht verkneifen, dass er aber hier (im vollen Militärwichs!) nur seine Meinung als ‚Privatmann‘ kundtun wolle; und dann in das allgemeine Russland-Bashing einstimmte.
Ein kraz-Kommentar hierzu:
Die Position der Bundeswehrangehörigen ist in materieller Weise auch sehr verständlich; so ist der Bundeswehr in den letzten 25 Jahren eigentlich „Der Gegner“ abhanden gekommen. Die von den USA aufgebauschten „Kriege gegen den Terror“ lassen sich in Deutschland sicher schlechter verkaufen als der altbekannte Feind „Die Russen“.
Bei diesem Hintergrund hätten die Veranstalter um so mehr darauf achten müssen, auch die russische Position zumindest in Ansätzen in den Dialog einfließen zu lassen. So jedenfalls war das kein Dialog sondern wirklich ein Tribunal.
Was fehlte?
Erstaunlich auch: Das „Institut für Politische Wissenschaft der RWTH Aachen“ trat – obwohl als Mitveranstalter genannt – nicht in Erscheinung. Ob es da interne politische Widersprüche bei der Ausrichtung der Veranstaltung gab, war nicht zu erfahren. Hier wären Whistleblower für die kraz sehr willkommen.
Ausblick
Nachdem dies die dritte Veranstaltung seit 2011 in Aachen ist, darf vermutet werden, dass hier ein längerfristiges Konzept existiert. Möglicherweise soll neben dem Aachener Karlspreis zukünftig ein weiteres Thema in Aachen als „Europäisches Zentrum“ etabliert werden.
Das Gute
Abschließend kann der kraz-Berichterstatter eine erfreuliche Sache von der Veranstaltung berichten: Die Getränke, die Brötchen und der Kuchen waren von hoher Qualität und sehr lecker! Es geht „uns allen“ doch schon sehr gut mit den Steuergeldern – vermittelt durch die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung.
—- Flugblatt des Antikriegsbündnis Aachen —-
Frieden in Europa ist nur mit und nicht gegen Russland möglich
Heute findet hier im Aachener Rathaus eine Veranstaltung statt, die sich „Aachener Dialog“ nennt, tatsächlich aber eher Tribunal-Charakter über Russland hat. Die Veranstaltung, auf der auch der Aachener Oberbürgermeister spricht, heißt:
Aachener Dialog: Krisen in der Ukraine und im Nahen Osten – Auswirkungen auf die europäische Sicherheitsarchitektur
Bei einem Dialog zu so einem diffizilen Thema sollten auch Dialog-Partner auf dem Podium anwesend sein, so sollte man meinen. Tatsächlich vertreten sind politische Scharfmacher wie der erzkonservative CDU EU-Parlamentarier Elmar Brock oder Generalleutnant Markus Bentler, Deutscher Militärischer Vertreter für die EU und NATO in Brüssel.
Statt wenigstens einem Vertreter der russischen Botschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ist Dr. Vasyl Khymynets, Gesandter-Botschaftsrat der Botschaft der Ukraine in Deutschland eingeladen.
Auch sollte nicht schon in der Einladung das Urteil vorweggenommen werden. Nichts dergleichen. Im Einladungstext heißt es etwa:
„Mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland und die fortdauernde destabilisierende russische Einflussnahme auf die Entwicklung in der Ostukraine sind 2014 militärische Auseinandersetzungen und Kriegsgefahr zurück auf dem europäischen Kontinent.“
Das wird von Teilen der deutschen Öffentlichkeit durchaus anders gesehen, so etwa von dem deutschen Rechtsphilosoph Merkel, auf den sich Herr Jakob Augstein im aktuellen SPIEGEL so bezieht:
„Mit dem Wort Annexion sollte sorgsamer verfahren werden. Der Hamburger Rechtsphilosoph Reinhard Merkel sagt, auf der Krim habe es keine Annexion, sondern eine Sezession gegeben. Keine räuberische Landnahme sondern eine Abspaltung. Die eine wäre ein schwerer Bruch desVölkerrechts gewesen und mithin ein Kriegsgrund. Die andere verstieß nur gegen ukrainisches Recht. Das allein aber macht ‚den Annehmenden nicht zum Wegnehmer‘, wie Merkel schreibt.“
Weiter wird im Einladungstest zur heutigen Veranstaltung einseitig Russland beschuldigt: „Die EU und NATO haben in großer Gemeinsamkeit auf das russische Vorgehen reagiert: Sanktionen wurden beschlossen, aber auch Maßnahmen zur Erhöhung der zeitweiligen Truppenpräsenz in den östlichen NATO-Mitgliedsstaaten. Die Vertrauensbasis als Grundlage für die Kooperation zwischen Russland und der Europäischen Union und der NATO ist schwer geschädigt.“
Gerade jetzt, wo Herr Platzeck (ehemaliger SPD-Vorsitzender) dankenswerterweise einen Vorschlag gemacht hat, die Abstimmung auf der Krim unter OSZE-Aufsicht zu wiederholen, um die Entscheidung der Krim-Bevölkerung zu verifizieren, sollte tatsächlich der Dialog gesucht und nicht ein Tribunal inszeniert werden, zu dem auch auch noch der Aachener Oberbürgermeister die Grußworte spricht und der Krönungssaal als Veranstaltungsort benutzt wird.
Schluss mit der Einkreisungspolitik gegen Russland
—- Hier der Einladungstext zum Aachener Dialog —-
Einladung: Aachener Dialog zur europäischen Sicherheitsarchitektur am 22.11.2014
Die Friedrich Ebert Stiftung, das Institut für Politische Wissenschaft der RWTH Aachen und die Stadt Aachen laden mit anderen Partnern zu einer Veranstaltung im Krönungssaal im Rathaus der Stadt Aachen ein.
Samstag 22.11.14 von 13:00 bis 16:00 Uhr
Krönungssaal im Rathaus der Stadt Aachen
Eintritt frei, jedoch Anmeldung erforderlich
Die aktuelle sicherheitspolitische Lage ist gekennzeichnet durch weltweite Krisen, Konflikte, Kriege und Seuchen. Der blutige Bürgerkrieg in Syrien, der menschenverachtende Terror der IS im Irak und in Syrien aber auch die Kämpfe in zerfallenden Staaten in Afrika und die Seuche Ebola in Westafrika stellen die Weltgemeinschaft vor gewaltige Herausforderungen. Mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland und die fortdauernde destabilisierende russische Einflussnahme auf die Entwicklung in der Ostukraine sind 2014 militärische Auseinandersetzungen und Kriegsgefahr zurück auf dem europäischen Kontinent. Dies bewegt und beunruhigt die Menschen in unserem Land. Sie fragen sich zu Recht, ob die Grundlagen der internationaler Sicherheitsarchitektur noch gelten. Die EU und NATO haben in großer Gemeinsamkeit auf das russische Vorgehen reagiert, Sanktionen wurden beschlossen, aber auch Maßnahmen zur Erhöhung der zeitweiligen Truppenpräsenz in den östlichen NATO-Mitgliedsstaaten. Die Vertrauensbasis als Grundlage für die Kooperation zwischen Russland und der Europäischen Union und der NATO ist schwer geschädigt.
Bei der Tagung wird über die Auswirkungen der Krisen auf Deutschland, aber auch auf die europäische Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik anhand folgender Leitfragen gesprochen:
- Wie können die Krisen und Kriege eingegrenzt werden?
- Welche Ziele verfolgt Russland?
- Wird es gelingen, die Krise um die Ukraine zu überwinden und wird der Waffenstillstand halten?
Begrüßung: Marcel Philipp, Oberbürgermeister der Stadt Aachen
Diskussionsimpulse:
- Generalleutnant Markus Bentler, Deutscher Militärischer Vertreter für die EU und NATO Brüssel
- Norbert Spinrath, MdB, Europapolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
- PD Dr. Andreas Heinemann-Grüder, Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie,
- Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
- Elmar Brok, MdEP, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses
- Dr. Vasyl Khymynets, Gesandter-Botschaftsrat der Botschaft der Ukraine in Deutschland
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