Kundgebung, große Demo und Friedenspreisverleihung in Aachen

2. September 2014 | Veröffentlicht von Walter Schumacher, Keine Kommentare

Am 1.September, dem Antikriegstag

dscf0044ist es in Aachen mittlerweile zur festen Tradition geworden, dass der Aachener Friedenspreis verliehen wird und dass im Vorfeld der DGB eine Anti-Kriegs-Kundgebung mit anschließender Demo durch die Innenstadt zur Preisverleihung veranstaltet.

Zur Veranstaltung um 17 Uhr am Elisenbrunnen kamen die Zuschauer erst zögerlich. Es wurden ca. 150. Es gab zwei herausragende Reden.

DSCF0038Elsa Rassbach als Vertreterin von Code-Pink, eine Deutsch-Amerikanerin (eine der beiden Preisträgergruppen) hielt eine engagierte internationalistische Anti-Kriegsrede. Sie forderte eine weitere weltweite Zusammenarbeit der Friedens- und Antikriegsgruppen. Insbesondere verwies sie auf die völlig neue Dimension der (kommenden) Drohnenkriege. Dabei rief sie dazu auf, sich am 4. Oktober am weltweiten Aktionstag gegen Drohnen zu beteiligen.
Die andere große Rede kam vom Aachener Anti-Kriegs-Bündnis. Sie zeigte nochmal sehr deutlich die Ursachen für die Kriege in Syrien und Ukraine auf. Dabei ging sie auch auf die aktuelle Diskussion um die IS (früher ISIS) ein. Wir dokumentieren die Rede im Anhang.

Die anschließende Demo

startete nach der Kundgebung. Erstaunlicherweise schwoll die Zahl der Demonstranten während des Umzugs rapide an. Als der lange Zug, angeführt von einer Sambagruppe – an der Aula Carolina ankam, waren es über 300 Menschen, die sofort in den Veranstaltungssaal strömten! Später kommende Besucher der Preisverleihung hatten dann auch Probleme, noch genügend freie Plätze zu finden.

Aachener Friedenspreis-Verleihung

Wir haben keinen Bericht zur eigentlichen Preisverleihung gemacht, sondern verweisen hierzu auf die AN und AZ.
ABER: Wir empfehlen hier den schriftlichen Redetext der Laudatio von Gabriele Krone-Schmalz

und einige Videos:

Teil 1 – Laudatio Gabriele Krone-Schmalz – YouTube (knapp 10 min.)  https://www.youtube.com/watch?v=-pNkKzaPneE
Teil 2 – Laudatio Gabriele Krone-Schmalz – YouTube (9:59 min):  https://www.youtube.com/watch?v=LfUsiYhOK9A
Teil  3 – Laudatio Gabriele Krone-Schmalz – YouTube (8:30 min): https://www.youtube.com/watch?v=PPCQ_HiDGC0
 

— Rede des AKBs zum 1.9.2014 —

Heute – am Antikriegstag – hat der Bundestag über die Lieferung deutscher Waffen in das Kriegsgebiet Nordirak debattiert. Dabei hatte dies die Bundesregierung schon vor einigen Tagen entschieden: Debatte und Abstimmung der großem Koalition der Willigen im Bundestag sind nur schmückendes Beiwerk, des Ergebnis ist Nebensache.
In atemberaubendem Tempo wird eine neue Ausrichtung der deutschen Politik durchgesetzt:
es werden deutsche Waffen zum Einsatz in einem Kriegsgebiet geliefert; nicht zur „Abschreckung“ für einen fernen „Ernstfall“.
Die ersten deutschen Soldaten sind ebenfalls schon vor Ort, um die Waffenlieferungen zu koordinieren.
3 Wochen zuvor hatte die Kanzlerin diese Waffenlieferungen noch ausgeschlossen. In den letzten Tagen waren diese nach ihren Worten „alternativlos“.
Vor 3 Tagen hat der ukrainische Präsident Poroschenko Waffenlieferungen der Nato zum Einsatz im Bürgerkriegsgebiet im Osten der Ukraine gefordert. Die Kanzlerin schließt diese aus. Wie lange wohl ?

Was passiert im Moment ?

Seit Monaten fordern führende Politiker der Bundesrepublik eine Änderung der deutschen Aussenpolitik. Der Pastor Bundespräsident Gauck sagte.,Deutschland solle sich „früher, entschiedener und substanzieller einbringen.“ Er spricht von „internationaler Verantwortung“ und davon, dass der Einsatz militärischer Gewalt „als letztes Mittel nicht von vornherein zu verwerfen“ sei.
Außenminister Steimeier sagte: „Deutschland ist eigentlich zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren“,.
und Verteidigungsministerin Von der Leyen sagte:„Gleichgültigkeit ist für ein Land wie Deutschland keine Option, weder aus sicherheitspolitischer noch aus humanitärer Sicht“
Das war – wohlgemerkt – Monate bevor ein Islamischer Staat, der seit Jahren unter verschiedenen Namen in Syrien und Libyien gewütet hatte , überhaupt zur Kenntnis genommen wurde, solange die Gegner Assad oder vormals Ghaddafi hießen. In den letzten Wochen hörten wir nun schwer erträgliche Nachrichten von Massenhinrichtungen und Vergewaltigungen durch den IS, sahen die Bilder von der Massenflucht der Jesiden.
„Wir sind alle Geiseln starker Worte und Bilder“ schreibt Jakob Augstein letzte Woche in seinem Kommentar und spricht von einem Nebel des Krieges, in dem nun ein Tabubruch, ein Politikwechsel durch die Bundesregierung stattfindet.

Was sind die Fakten ?

Der Irak wurde in den letzten 20 Jahren durch zwei US geführte Kriege und eine jahrlange Wirtschaftsblockade destabilisiert; dies hat Hunderttausenden von Iraker das Leben gekostet. Wir erinnern daran, dass es zuletzt 2003 die Regierungen der USA und Großbritannien als Führer der sogenannten Koalition der Willigen waren, die mit der Lüge über angebliche irakischen Massenvernichtungswaffen einen völkerrechtswidrigen Krieg im Irak begonnen haben. Dieser Krieg und die anschießende jahrelange Besatzung ist verantwortlich für die instabile Situation und den zunehmenden Zerfall des Iraks.

IS – vormals Islamischer Staat im Irak und Syrien

bzw. Islamischer Staat im Irak und Syrien und der Levante (eine Region die bis nach Libyien reicht) – hat jahrelang zusammen und in Konkurrenz mit anderen Terrorgruppen Zerstörung und Schrecken in der Region und insbesondere in Syrien verbreitet. Der deutsche BND Chef Schindler hat schon vor einem Jahr berichtet , dass in der syrischen Opposition die dschihadistischen Krieger dominieren und dennoch wurden weiter Geld und Waffen
geliefert.
Der IS finanziert sich durch Spenden aus Katar, Kuwait, Saudi-Arabien [10] und den Vereinigten Arabischen Emiraten, also ausgerechnet von den ultrareaktionären Monarchien, denen auch Frau Merkel und Herr Steinmeier Panzer und sonstige Waffen liefern. Nachschub an Material und Kämpfern erhält der IS über das Gebiet des Nato -Staats Türkei, der seit 1 1/2 Jahren unter dem Schutz deutscher Patriot-Raketen gegen Syrien steht.
Der IS ist – wie seinerzeit die Taliban in Afghanistan – jahrelang von westlichen Staaten gefördert und toleriert worden, solange diese damit rechnen konnten, mit dem Sturz von Assad oder seinerzeit von Ghaddafi mehr Macht und Kontrolle über den Nahen und Mittleren Osten zu erreichen.
Nun scheint der wüste Haufen außer Kontrolle geraten zu sein und es bieten sich die selben Kräfte,
die sein Erstarken gefördert haben, nun an, ihn mit Bomben und Waffenlieferungen zu bekämpfen.

Aber auch hier müssen wir genauer hinsehen.

Die deutschen Waffenlieferungen sollen an „die Kurden“ im Norden des Iraks gehen. Kurden leben im Irak, in Syrien, in der Türkei und im Iran; es handelt sich bei dieser Volksgruppe um 25 – 30 Millionen Menschen. Die Türkei führt seit Jahren einen verbissenen Kampf gegen
kurdische Autonomiebestrebungen, der Führer der wichtigsten politischen Kraft PKK Öcalan sitzt seit vielen Jahren im Gefängnis. In Syrien wurde Anfang 2014 in drei mehrheitlich kurdisch besiedelten Kantonen die Autonomie ausgerufen. Viele Kurden, gerade in der Türkei und in Syrien, setzten auf demokratische Rechte, Minderheitenschutz und Autonomie innerhalb der bestehenden Nationalstaaten. Im Nordirak besteht seit dem letzten Golfkrieg ein kurdisches Autonomiegebiet, dessen konservativer Regierungschef Masud Barzani dagegen immer offener eine Abspaltung vom
Irak vertritt.
In diesem Gebiet befinden sich die weltweit 8.-größten Erdgas- und 9.-größten Erdölvorkommnisse. Barsanis Peschmerga-Soldaten sollen nun auch mit deutschen Waffen aufgerüstet werden. Es ist mittlerweile bekannt, dass es gar nicht diese Peschmerga-Soldaten gewesen sind, die den jesidischen Flüchtlingen zuhilfe gekommen und dem IS entgegengetreten sind, sondern dass dies vor allem Kurden aus Syrien waren, die politisch in der Nähe der PKK verortet werden. Diese Kurden werden weder politisch noch militärisch unterstützt, seit 1993 ist die PKK in Deutschland verboten, seit 2002 steht sie auf der Terrorliste der EU. Wer übrigens nicht in
Deutschland verboten ist, ist der ISIS. Aufruf und Ausreise zum Terror-Tourismus ist in Deutschland ungehindert möglich; Nach Verfassungschutzbericht sollen in den Reihen des IS imzwischen mehr als 400 Kämpfer aus Deutschland sein.

Hinter dem Nebel des Krieges wird sichtbar, worum es geht:

Es geht um Öl und Gas, es geht um Kontrolle des Nahen und Mittleren Ostens, es geht um Waffenexporte, wobei Deutschland bereits jetzt der drittgrößte Waffenexporteur der Welt ist. Und Deutschland wird sich jetzt noch „entschiedener und substanzieller“ einbringen, wie es
Gauck Anfang des Jahres formulierte.
Wir fordern von der Bundesregierung:

  • Keine Waffenlieferungen in des Kriegsgebiet IRAK und Syrien und an die Unterstützerländer des IS im Nahen und Mittleren Osten! Striktes Verbot von Rüstungsexporten !
  • Sanktionen gegen die Unterstützer des IS in Katar, Saudi-Arabien, Vereinigten Emiraten und Kuwait!
  • Druck auf den NATO-Partner türkische Regierung, dass sie die Grenzen als Terrorversorgungs- und Rückzugsgebiet und für den Terrortourismus schließt ! Abzug der deutschen Patriot-Raketen aus der Türkei!
  • Großzügige Aufnahme von Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten und Ausweitung der humanitären Hilfe vor Ort!

Ukraine

Ich möchte aber auch noch über ein zweites Kriegsgebiet sprechen, von dem vor einem Jahr noch kein Mensch zu alpträumen gewagt hatte: ich meine den Bürgerkrieg in der Ukraine. Die Krise in der Ukraine wurde von der EU ausgelöst. Sie hat 2013 zunehmend Druck auf die ukrainische Regierung ausgeübt: Entweder EU oder Zollunion mit Russland, wobei Assoziation
mit der EU auch militärische Zusammenarbeit mit der EU heisst. Dass dieser Druck in einem gespaltenen Land, in dem sich die prorussischen und die sogenannten „proeuropäischen Kräfte“ , wie man an allen Wahlergebnissen sieht, seit Jahren annähernd die
Waage halten, zu einer Zerreißprobe führen musste, war abzusehen. Trotz anderslautender Zusicherungen nach der deutschen Wiedervereinigung findet eine fortgesetzte Verschiebung der EU- und damit auch letztendlich der Nato-Grenzen nach Osten statt; Russland fühlt sich zunehmend bedroht.

Der Fortlauf der Ereignisse ist bekannt:

Die seit Februar bestehende Putschregierung, die unter dem dominierenden Einfluss von faschistischen Gruppen wie Swoboda oder rechter Sektor steht, führt seit Wochen einen blutigen Krieg gegen Teile ihrer Bevölkerung im Osten mit weit mehr als 2000 Toten und  Hundertausenden Flüchtlingen.
Die deutschen Medien sekundieren: aus einer Putschregierung wird „die Regierung der Ukraine“ aus bewaffneten Nazi-Banden des Rechten Blocks wird eine „Nationalgarde“und „Freiwillige“. Aus russischsprachiger Bevölkerung werden „Separatisten“. Aus „Separatisten“ werden„Terroristen“. Aus Bombardierung von Städten wird ein „Anti-Terroreinsatz“. Russland wird mit Sanktionen überzogen, weil es die sogenannten Separatisten nicht stoppen würde. Seit Wochen wird über eine angebliche russische Intervention in der Ukraine halluziniert.
So war zwar am 30.8. auf Seite 1 in den Aachener Nachrichten zu lesen: „die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE hat bisher keine Beweise für einen Einsatz regulärer russischer Truppen in der Ukraine“ aber auf Seite 2 wird das genaue Gegenteil
behauptet und kommentiert. Dass Präsident Putin zuletzt erst gestern die Notwendigkeit von Verhandlungen betont hat und auch erklärt hat, dass die russischsprachige Ostgebiete bei
vermehrter Automie Teil des Staates Ukraine bleiben sollen, wird konsequent ignoriert.
Widerlicher Höhepunkt des Kriegsgeschreis in den Medien war das Titelblatt des Spiegels nach dem Abschuss der malaysischen  Passagiermaschine.Vor den Bildern der Opfer textet der Spiegel:
Wer Stoppt Putin!
Würde der Spiegel dieses Titelblatt nochmal auflegen mit „Stoppt Obama“ oder „stoppt die EU“, wenn sich noch herausstellen sollte, dass doch Soldaten der Putschregierung die Täter waren…..
(wofür einiges spricht).
Der ukrainische Präsident Poroschenko fordert jetzt Nato-Waffenlieferungen und sieht „das Schicksal der Welt und Europas“ gefährdet, der Chef der Putschregierung Jazenjuk hat vor 3 Tagen eine Parlamentinitiative mit dem Ziel einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine gestartet.
Bei der Nato-Tagung in Cardiff soll eine Erhöhung des Rüstungsetats der NATO-Mitglieder auf mindestens 2% des Bruttosozialprodukts der Länder und eine weitere Aufrüstung der NATOStaaten in der Umgebung Russlands in den nächsten Tagen beschlossen werden. Wir freuen uns, dass große Demonstationen gegen diese Tagung in Cardiff angekündigt sind.

  • Frieden in Europa ist nur mit und nicht gegen Russland möglich!
  • Schluss mit der Einkreisungspolitik der NATO gegen Russland !
  • Keine Zusammenarbeit der Bundesregierung mit einer ukrainischen Putschregierung, die unter
  • maßgeblichen Einfluss von Faschisten steht und ihr eigenes Volk bombardiert !
  • Frieden statt NATO

Aachen, 1.9.2014
Für das Antikriegsbündnis Aachen
Irmgard Gollwitzer

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