Kommentar zur „Polemik gegen Veganismus“

17. Juli 2012 | Veröffentlicht von Anne Waldgraf / ws, Keine Kommentare

Ist der politische Veganismus eine „kleinbürgerliche Subkultur“ oder eine Alternative, die lediglich nicht von allen gedacht werden kann?

Veganismus als kleinbürgerliche Subkultur

Zunächst stellt sich die Frage, was „kleinbürgerliche Subkultur“ für den Autor des kraz-Artikels „Polemik gegen Veganismus“ überhaupt bedeutet. Vielleicht sollte der Autor sich vor Augen führen, dass wir alle bürgerlich sozialisiert wurden und somit unser Denken immer bürgerliche Elemente enthalten wird. Deshalb kann die Kritik an einer bürgerlichen Gesellschaft nicht frei von bürgerlichen Elementen sein.

Der politische Veganismus versucht eine Kapitalismuskritik an einem bestimmten Bereich aufzuziehen. Das gelingt ihm auch durchaus, indem er eine Alternative durch eine andere Ernährungs- und Lebensform anbietet.

Ist es nicht viel mehr „kleinbürgerlich“, sich vor anderen Lebensformen zu verschließen und seine eigene als die einzig richtige anzupreisen?

Eine Kapitalismuskritik kann an den unterschiedlichsten Stellen ansetzen, schließlich ist unsere Gesellschaft nicht eindimensional zu sehen. Und jeder sollte frei entscheiden können, an welcher Stelle er mit seiner Kritik ansetzen möchte. Dies zu verweigern, wäre mehr als vermessen.

Das Objekt, das sich nicht äußern kann

Ich muss kein Huhn befragen um zu wissen, dass es sicherlich nicht angenehm ist, mit 30 Artgenossen oder mehr auf einem 1qm hausen zu müssen. Auch muss niemand darüber mit einer Kuh diskutieren, ob es natürlich ist, sie regelmäßig kalben zu lassen und anschließen die Kälbchen abzunehmen. Um die Widernatürlichkeit dieser Zustände festzustellen, genügt es, sich ein paar Minuten seines Verstandes zu bedienen.

Veganismus als Idee durch den Kapitalismus vereinnahmt?

Menschen sind aus unterschiedlichen Gründen Veganer. Sollen diese Menschen ihre Meinung nicht frei ausleben dürfen, nur weil vegane Produkte in unterschiedlichen Supermärkten und Drogerien angeboten werden, die für alle erschwinglich sind? Soll man kein Gemüse mehr essen dürfen, weil es gerade in einem Supermarkt angeboten wird? Soll man sich vom Kommunismus distanzieren, da von der Industrie Bier mit dem Titel „Roter Oktober“ produziert wird oder T-shirts mit dem Antlitz Marx bedruckt werden?

Der Hunger in der Welt

Wenn ich auf mein Stück Fleisch verzichte, verhöhne ich dadurch die Menschen, die nichts zu essen haben auf Grund verschiedener ökonomischer Zustände? Dies klingt in meinen Ohren wie Hohn. Die meisten Menschen leiden Hunger, weil auf den Äckern, die eigentlich mit Weizen für die Brotproduktion, oder mit Hirse und Mais für die Ernährung für Menschen bestellt werden könnten, stattdessen dort Nahrung für Tiere angebaut und dann verfüttert wird, die sich nur ein sehr geringer Teil der Menschheit leisten können. Der Rest hungert.

Folglich ist der Hunger in der Welt viel stärker auf den Fleischkonsum zurückzuführen statt auf den Verzicht von jenem. Es ist Fakt, dass eine Ernährung, die auf Fleisch basiert, deutlich mehr überlebenswichtige Ressourcen wie Luft, Wasser, Land, Waldfläche etc. verbraucht als eine vegane!

Zudem bedenkt der Autor nicht, dass Tierhaltung einen erhöhten Treibgasausstoß zur Folge hat, was in der Zeit eines Ozonloch wohl auch eher ein Nachteil ist.

Situation in Aachen

Mir ist mehr als schleierhaft, in wie fern der Autor der Polemik sich in Aachen als Fleischkonsument eingeschränkt fühlen kann. Es gibt mehr als genug Angebote für Menschen, die nicht auf tierische Produkte verzichten wollen. Meines Wissens nach bei einer Veranstaltung des Stolberg Bündnisses genug Nahrung für alle Geschmäcker angeboten. Mir ist auch niemand bekannt, der des Autonomen Zentrums verwiesen wurde, weil diese Person Fleisch gegessen oder Milch getrunken hat. Auch habe ich noch von keiner militanten Tierbefreiungsbewegung gehört, die in Aachen Jagd auf Nichtveganer macht. Aus meiner Sicht ist diese Kritik im Aachener Rahmen im Grunde nicht notwendig, wenn nicht sogar lächerlich. Mir stellt sich daher die Frage, warum sich die radikale Linke ausgerechnet an dieser Stelle selber schwächen muss?

Zudem scheinen die Verfechter des Fleischkonsums ein größeres Problem mit dem Verzicht von tierischen Nahrungsmittel zu haben als umgekehrt. Seltsam oder etwa nicht?

Eine humorvolle (zu nehmende) Schulssbemerkung

„Widersagt dem Veganismus“ hört sich eher wie eine Formel an, die ein Priester hervorbringen könnte. Möchte der Autor des Textes gegen die Veganer dieses Planeten einen „Fleischexorzimus“ mit einem Kreuz aus Würstchen durchführen? Oder was sonst will der Autor uns mitteilen?

Oder könnte es sein, dass die Nutzung dieser Formel für die eigene Kleibürgerlichkeit des Autors spricht?

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