Hochschulen zivilisieren statt militarisieren!

30. September 2012 | Veröffentlicht von Anne Waldgraf / ws, Keine Kommentare

Hochschulen zivilisieren !

Interview durch Anne Waldgraf / ws

Die Grüne Hochschulgruppe der RWTH Aachen fordert die Einführung einer Zivilklausel, die besagt, dass sich eine Universitäten verpflichtet, dass nur für zivile und nicht für militärische Zwecke geforscht werden darf. Das nahmen wir zum Anlass mit ihr über ihre Pläne Themen und hochschulpolitische Strukturen zu reden.

 

kraz: Die Grüne Hochschulgruppe engagiert sich politisch im Rahmen der Hochschule. Was für politische Strukturen gibt es an der Hochschule?

Es gibt unterschiedliche Strukturen. Die Grüne Hochschulgruppe (GHG) ist im Studierendenparlament vertreten. Dieses wird von den Studierenden jedes Jahr im Sommer gewählt. Es setzt sich aus unterschiedlichen Listen zusammen. Es verwaltet die studentischen Gelder, debattiert über Anträge der Studierenden und wählt und kontrolliert den Allgemeinen Studierenden Ausschuss (AStA). Der AstA berät die Studierenden, organisiert kulturelle Veranstaltungen und bildet die Studierenden in hochschulpolitischen Fragen weiter. Die unterschiedlichen Listen fordern teilweise einen serviceorientierten AstA, der kein allgemeinen politisches Mandat hat. Wir sprechen uns jedoch für ein solches aus. Des Weiteren gibt es noch Fachschaften, Seniorate und weitere studentische Selbstverwaltungen, die den Studierenden mit Rat und Tat zur Seite stehen.

kraz: Was sind eure Themengebiete?

Wir beschäftigen uns mit Themen wie Ökologie und Verbraucherschutz. So fordern wir beispielsweise eine Angabe der Inhaltsstoffe im Mensaessen, was für AllergikerInnen wichtig ist, so wie den Einkauf von biologischen und fair gehandelten Wahren. Auch setzen wir uns für eine barrierefreie Hochschule ein. Darum arbeiten wir eng mit der Interessenvertretung für behinderte und chronisch kranke Studierende zusammen.

Die Reform der Hochschule steht bei uns auch nach Abschaffung der Studiengebühren auf der Agenda. In diesem Bereich gibt es immer noch sehr viel zu tun. So muss die studentische Selbstverwaltung weiter gestärkt werden, eine Ökonomisierung der Hochschulen entgegengewirkt und der Studienverlauf individualisiert werden. Hier arbeiten wir mit Gruppen anderer Hochschulen zusammen und versuchen Einfluss auf die Landesregierung zu nehmen.

Außerdem setzten wir uns allgemein für Abrüstung ein und wollen an unserer Uni den ersten Schritt in eine solche Richtung gehen – momentan durch die Einführung einer Zivilklausel.

kraz: Einige Universitäten wie z.B. die Uni Köln streben die Verankerung der Zivilklausel an. Was ist die Zivilklausel? Was soll sie gewährleisten?

Die Zivilklausel ist eine Selbstverpflichtung für Universitäten, die besagt, dass nur für zivile, nicht militärische Zwecke, geforscht werden darf. Die Universitäten sind seit der ‚Bologna Reform‘ immer mehr auf Drittmittel angewiesen. Diese stammen häufig aus dem Bereich der Rüstungsforschung.Aber wir sehen offene Universitäten wie die RWTH nicht als passende Institution, an der für solche Gebiete geforscht wird. Wir als GHG lehnen Rüstungsforschung im Allgemeinen ab. Sollte diese jedoch politisch gewollt sein, dann müsste sie in eigens dafür eingerichteten Zentren betrieben werden und dieser Vorgang für die Bevölkerung transparent gestaltet sein.

kraz: Warum erachtet ihr es als wichtig, dass es an Hochschulen eine Zivilklausel gibt?

Wir sprechen uns gegen militärische Forschung aus, weil wir keine Ausrichtung von Wissenschaft und Bildung auf Aufrüstung, Zerstörung von natürlichen und sozialen Lebensgrundlagen und das Töten von Menschen billigen. Vielmehr sollte die Wissenschaft am Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen arbeiten und das menschliche Leben hochachten. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die Einführung einer Zivilklausel an deutschen Hochschulen.

kraz: Wie positioniert sich die RWTH-Aachen zu eurem Projekt? Sieht sie sich eurer Meinung nach in der Verantwortung?

Herr Schmachtenberg, Rektor der RWTH und Vorsitzender der TU9, sagte am 7.9.12 in einem VDI-Interview zum Thema der Rüstungsforschung: „Wir Deutschen haben mit Rüstungsforschung eine Menge Unheil angerichtet. Ich halte diesen Weg für eine offene Universität in Deutschland für ungeeignet. Wenn Rüstungsforschung politisch gewollt ist, soll sie an eigens dafür eingerichteten Forschungsinstituten etabliert werden, nicht bei uns. Wir fordern aber nicht mehr Rüstungsforschung, sondern eine bessere Grundfinanzierung.“ (http://www.vdi-nachrichten.com/artikel/Universitaeten-geht-die-Kraft-fuer-den-internationalen-Wettbewerb-aus/60190/1)

Entgegen dieser deutlich positiven Aussage des Rektors zur Zivilklausel war die RWTH nicht bereit, eineN ReferentIn für eine entsprechende Veranstaltung zu stellen oder sich auf anderem Weg dazu zu äußern, Wir bedauern das sehr, weil wir eine möglichst kontroverse Diskussion aufbauen wollten.

kraz: Aus welchen Gründen besteht die mangelnde Bereitschaft zur Einführung der Zivilklausel?

Allein im Jahr 2008 wurden 1,1 Mrd. Euro von der Bundesregierung für die Rüstungsforschung an deutschen Hochschulen bereitgestellt. Die Rüstungsindustrie ist ein zuverlässiger Lieferant für Drittmittel, auf die die meisten Hochschulen nicht (mehr) verzichten wollen. Durch eine Einführung der Zivilklausel stünden diese Gelder nicht mehr zur Verfügung.

kraz: Ihr führt bald eine Veranstaltung mit dem Aachener Friedenspreis zum Thema Zivilklausel durch. Wie soll sie aussehen? Was ist euer Ziel, welches ihr mit der Podiumsdiskussion erreichen wollt?

Es wird eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Hochschulen zivilisieren!“ am 24.10.2012 (Mi) um 19.15 Uhr im Karman Auditorium geben. Auf dem Podium diskutieren Dr. Dietrich Schulze (Beiratsmitglied der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit) und Andreas Seifert (Informationsstelle Militarisierung). Angefragt ist auch Prof. (em.) Dietrich Meyer-Ebrecht (Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung). Von diesem erhielten wir aber noch keine Zusage. Die Moderation übernimmt Iris Witt.

Mit der Veranstaltung möchten wir einerseits über die Zivilklausel und die Rüstungsforschung an der RWTH informieren. Gleichzeitig sollen die Aachener Studierenden für die Thematik sensibilisiert werden. Insgesamt erhoffen wir uns mit dieser Veranstaltung der Einführung einer Zivilklausel an der RWTH einen Schritt näher zu kommen.

Interview durch kraz/Anne Waldgraf

Die Kommentarfunktion für ältere Artikel ist geschlossen.

Bitte bleibe mit Deinen Kommentaren sachlich und respektvoll.

Kommentarregeln:

An jedem Artikelende gibt es eine Kommentarfunktion. Diese ist für 6 Tage nach Erscheinungsdatum freigeschaltet, danach ist die Kommentarmöglichkeit geschlossen.

Richtlinien für die Kommentare:

  • Rechte Hetze in den Kommentaren wird nicht geduldet.
  • Keine Beleidigungen, bleibt sachlich.
  • Bitte keine Abhandlungen oder sinnfreie Texte schreiben, fasst euch kurz
    (maximal ca. 2500 Zeichen)
  • Bitte nur relevante Inhalte posten.
Der Administrator behält sich vor, Kommentare die sich nicht daran halten zu löschen.