„Fracking“: Reichtum oder Vergiftung?

26. Juni 2013 | Veröffentlicht von Walter Schumacher / sw / hr, Keine Kommentare

DSCF3506

„Fracking“: Geld-Segen für Wenige – Gift für Millionen?

Schicker geht’s nimmer

In hoch-feudalem Ambiente des Berlin-Saals des Quellenhofs gab es letzten Dienstag eine Veranstaltung zu dem kontroversen Thema „Fracking“. Etwa 120 ZuhörerInnen folgten den beiden Referenten. Die kraz hatte das als eine „Veranstaltung von Befürwortern“ angekündigt. Aber nach dem Besuch der Veranstaltung denken wir, dass wir als kraz detaillierter über den Abend schreiben sollten.

Fracking-2Was ist „Fracking“?

Fracking ist eine Fördertechnik, bei der (giftige) Schlämme unter hohem Druck in Tiefengestein gepresst und diese zersprengt werden. Hierdurch kann Gas und Öl aus dem Boden gefördert werden.
Zwei Referenten waren angetreten, um den ZuhörerInnen einerseits die technischen Möglichkeiten und Probleme, andererseits aber auch die ökonomischen Randbedingungen für Fracking zu erläutern.

fracking-3Darstellung der technischen Probleme

Der erste Referent Volker Klosowski (VorstandTechnologie vom TÜV Rheinland AG) berichtete – aus seiner Sicht vermutlich völlig „wertneutral“ – über die Sicherheitsaspekte von Fracking. Er betonte die grundsätzliche Beherrschbarkeit der Fracking-Technik, räumte aber gleichzeitig ein, dass es „Rest“-Risiken für Grundwasser, kleinere lokale Erdbeben und Leckagen geben könne. Er versuchte so, den Kritikern schon im vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Fast dialektisch wurden seine Bezüge zu dem US-Hype beim Fracking: in den USA würde das Fracking auf einem technischen Niveau betrieben, dass aus seiner Sicht „hochbrisant und gefährlich“ sei. ABER gerade weil „wir“ in Deutschland das alles anders machen werden (= besser wg. höherer Sicherheitsnormen), war genau diese Kritik an den USA der Hebel, um zu argumentieren, dass bei „besserer“ Technik das Fracking eine „zulässige und völlig beherrschbare“ Methode wäre.
Korrekterweise hätte er dabei dankbar erwähnen müssen, dass dieses „besser“ aufgrund des Drucks einer kritischen Öffentlichkeit (und natürlich auch aus den schlechten Erfahrungen bei der Akzeptanz der Atomindustrie) entstanden ist. Und nur aus diesen Gründen wird die „deutsche Technik“ beim Fracking vermutlich „besser“ sein als die US-Verfahren.
Sein Interesse, die Kritik am Fracking klein-zu-reden war sichtbar. Einmal aktivierte er tatsächlich nochmal die alten Muster aus der Anti – Anti-Atom-Diskussion: analog wie früher den AKW-Kritikern wurde durch Herrn Klosowski diesmal den Fracking-Gegnern das notwendige „kompetente wissenschaftliche Wissen“ abgesprochen.
Der Vortrag hob mehrfach auf die Endlichkeit der fossilen Energieträger ab, verglich aber die Perspektiven nur für die unterschiedlichen fossilen Energieträger. Aus irgendeinem Grund fehlte die Betrachtung  der regenerativen Energiequellen dabei völlig. Dem mehrfachen Grummeln aus der Zuhörerschaft war anzumerken, dass diese offenkundige Einseitigkeit das Bemühen um Seriosität des Vortrags in Frage stellte!

fracking 6 - jonah wyomingFracking & Mengenprobleme

Interessant waren die Hinweise von Herrn Klosowski auf die Mengenproblematik: bei „Standard-Fracking-Feldern“ müssen ca. 50.000 Tonnen Sand, 100.000 Tonnen Wasser, 30.000 Tonnen Chemikalien bewegt und in die Erde eingepresst werden. Auf Nachfrage der kraz erläuterte Herr Klosowski, dass dieser (giftige) Chemiecocktail etwa zur Hälfte wieder heraus geschwemmt wird und an der Oberfläche „entsorgt“ werden muss. Dass aber die anderen 50% im Boden verbleiben, wovon wiederum ein Teil eine chemische Verbindung mit dem Bodengestein eingeht und dadurch zu einem neuen – jetzt hoffentlich nicht mehr toxologisch – Stoff wird verschwieg er. Unbestritten seinerseits blieb, dass gigantische Mengen des giftigen Cocktails im Boden verbleiben und bei Unglücken natürlich auch in die Trinkwasser schichten gelangen können.

Seine Lieblingsargumente waren die gruseligen US-Beispiele von wirklich grauenhaft schlechten US-Sicherheitsnormen bzgl. des Gewässerschutzes. Das war für den TÜV-Vorstand immer wieder ein willkommener Anlass, den o.g. Gegensatz aufzubauen, dass „wir in Deutschland das natürlich besser machen… “.

Überhitzte & emotionale Diskussion der Fracking-Befürworter

Explizit beklagte Herr Klosowski die nach seiner Ansicht „überhitzte & emotionale Diskussion“ um das Fracking. Dabei blieb offen, wen er damit meinte: Die Schützer der Erde und des Grundwassers – oder aber diejenigen, die wegen persönlicher enormer Gewinnaussichten offensiv das Fracking propagieren?
==> Resumé: Der Vortrag vom TÜV war informativ, aber eher ein Pro-Vortrag.

Welches Interesse hat der TÜV am Fracking?

Im Nachgang der Veranstaltung gab es Gelegenheit zum zwanglosen Plausch. Die kraz wollte wissen, wie der TÜV sein Engagement bei der „Begleitung der Fracking-Technik“ finanziert. Laut Aussage von Herrn Klosowski fließt zur Zeit KEIN Geld aus der Fracking-Industrie an den TÜV, sondern dieser betrachtet sein Engagement als „Investition“.
Solch ein Geschäftsmodell funktioniert normalerweise nach der logischen Regel, dass die Investitionen durch spätere, lukrative Beratungsverträge wieder reinkommen müssen; und diese Aufträge werden nun mal von der Fracking-Industrie bezahlt! Insofern ist die Unabhängigkeit des TÜVs in dieser Frage durchaus fragwürdig – wenn auch nicht so plump wie die bei „normale Lobbyarbeit“!

Zur ökonomisch-politischen Bewertung von Fracking

Der deutlich kritischere Teil des Abends war der Vortrag von Dr. Steffen Bukold. Er ist Energieexperte, Besitzer des Beratungsunternehmens „EnergyComment“ und lebt vom Ertrag dieser Unternehmung in Hamburg.

Seine Ausgangsfrage lautete: Ist Fracking energiepolitisch sinnvoll?
Er lieferte eine Fülle von Informationen, die letztlich aufzeigen, warum Fracking energiepolitisch wertlos sei/ist:

  • Fracking-Öl streckt die weltweiten Ölreserven bestenfalls um 18 Monate!
  • Fracking-Gas ist gesellschaftlich überflüssig, weil für viele Jahre normales Gas im Übermaß vorhanden ist.
  • Und Fracking verlängert die Dauer der Verbrennung fossiler Energieträger und behindert den Umstieg in die moderne Technik der regenerativen Energiegewinnung. (Dieses letzte Argument wurde von der kraz-Redaktion hinzugefügt, es fehlte beim Vortrag.)

Auch Herr Bukold vergaß den Ersatz der fossilen Fracking-Energie durch regenerative Energien vorzustellen bzw. entsprechende Szenarien zu skizzieren. Möglicherweise war das durch den Auftraggeber des Vortragsabends so vorgegeben oder auch das Ergebnis diverser Abhängigkeiten als ökonomisch-abhängigen Beratungsunternehmen im Energiesektor. Schließlich werden auch hier die ökonomisch potenten Auftraggeber aus der Frackingindustrie und sonstigen Energie-Großunternehmen kommen – nicht aus den kritischen Umweltverbänden!

Auf einige Details des problematisch zu sehenden Frackings ging Herr Bukold ein. Hierzu zeigte er echte Horrorbilder aus der Fracking-Anwendung in den USA:

  • Zerstörte Landflächen durch tausende kleine Bohrstellen eines Fracking-Feldes.
  • Katastrophale Sicherheitsstandards bzgl. der Grundwasserverseuchung – und das für die Ausbeutung eines fossilen Brennstoffs für nur 2-5 Jahre. Danach sind die Fracking-Felder faktisch leer und die nächste Landschaft muss angegriffen werden. (Bild noch einfügen: Fracking-Felder in Jonah High, Wyoming, USA,  Bildquelle: blog.skytruth.or )
  • Abfackeln der Gase aus Fracking-Bohrfeldern (1/3 des gewonnen Gases!) ist vom Weltraum aus als „beleuchtete“ Flächen zu sehen. (Bild noch einfügen)

Bukolds Thesen zum Fracking

  • Wir gehen weg von einer Ölgesellschaft hin zu einer Gasgesellschaft. 
  • Fracking ist dafür keine Option – es gibt genug natürliches Gas!
  • Die USA geht den Weg: Gas & Öl 
  • Europa geht den Weg: regenerativen Strom & Gas

An dieser Stelle gab es seinen einzigen, aber wichtigen Hinweis auf die alternative Energieerzeugung: Die hohen Energieüberschüsse bei Wind- und Solar-Energieerzeugung würden zur Technik „power to gas“ führen.
==> Beides passe sehr gut auch für die notwendige Übergangszeit bei der Energiewende zusammen.

Verzweifelte Frage eines CDU-Professors

Als Veranstalter des Abends fasste der Aachener Ratsherr Prof. Dr. Ulrich Daldrup die Vorträge aus seiner Sicht mit einem Satz zusammen:

„Wie kann es denn sein, dass trotz Ihrer [der Referenten] kritischen Ausführungen diese große Hysterie um Fracking existiert?“ Diese Frage wiederholte Daldrup in ähnlicher Form dreimal (… „warum machen ‚wir‘ das, wenn es so wenig bringt?“).

Er bekam keine Antwort – außer die eines Zwischenrufs aus dem Publikum: „Die Ursache liegt im Unterschied zwischen betriebswirtschaftlichen Gewinnen und den gesamt-gesellschaftlichen Kosten“. Zuschauer nickten, aber weder Herr Daldrup noch die Referenten (wollten/konnten) diesen Einwurf verstehen.

Gewinne privatisieren – Verluste sozialisieren

Inhalt des Zwischenrufs war wohl, dass die gesamtgesellschaftlichen Kosten des Frackings (kein wirklicher Bedarf, schlechtes Risiko-Nutzen-Verhältnis, weitere Schädigung des Öko-Systemes) der betriebswirtschaftlichen Sicht des einzelnen Fracking-Betreibers entgegen stehen.
Betriebswirtschaftlich kann die Ausbeutung eines Fracking-Feldes für einen Unternehmer gewinnbringend sein, und zwar: je weniger Sicherheit er bietet, je weniger Rücksicht er auf Erhalt des Grundwassers usw. nimmt, desto größer wird sein Gewinn.
Volkswirtschaftlich, also für die Gesellschaft ist es umgekehrt: Alle Kosten die durch Unfälle geschehen, alle Folgeschäden die meist erst nach Jahren auftreten, trägt die Allgemeinheit. Die Unternehmen bezahlen bestenfalls einen kleinen Anteil („beschränkte Haftung“), den Löwenanteil trägt die Gesellschaft, also wir!

Die BesucherInnen

Wer waren die 120 BesucherInnen? Die Hälfte waren wohl KollegInnen aus dem (ingenieur-technischen) Lehrkörper und Studierende (viele Geologen) der RWTH, Die andere Hälfte bestand aus am Thema interessierten BürgerInnen, aber auch aus ca. 30 Personen aus kritischen Umwelt- oder sonstigen politischen Gruppen. Auffällig: Es waren keine bekannten Gesichter der Aachener GRÜNEN anwesend. In früheren Zeiten hätten die sich diesem Thema sicher „liebevoll“ angenommen.

Der kraz-Kommentar

Insgesamt brachte der Abend eine gute Übersicht über den aktuellen Stand der Fracking-Technik. Die technische Gewichtung ziwschen Nutzen & Risiko durch den TÜV war tendenziös. Der analytische Vortrag von Herrn Bukold bzgl. der gesellschaftlichen Kosten/Nutzenrelation war deutlich hilfreicher. Im Ergebnis gab der Abend den Fracking-GegnerInnen Recht in der Ablehnung dieser Technikanwendung.

——-

Wer sich in Aachen gegen das „Fracking“ engagieren möchte oder einfach nur weitere Informationen bekommen möchte, ist hier an der richtigen Adresse: http://www.inofra.de/

——-
Im Folgenden dokumentieren wir nochmals die Einladung zu der beschriebenen Veranstaltung:

„Fracking“ – Segen oder Fluch?  Energy Hills lädt ein zur Diskussionsveranstaltung

  • Wie gefährlich ist „Fracking“
  • Welche Chancen bietet die Technologie?
  • Wie viel Erdgas/Öl kann mit dieser Technologie gefördert werden?
  • Wie verändert Fracking die globale Geopolitik?
  • Würde „Fracking“ der deutschen Energiewende helfen?

Kaum eine Technologie wird aktuell so kontrovers diskutiert wie das sog. „Fracking“. Die Methode, bei der mit Hilfe von Wasser, Sand und diversen Chemikalien, die unter großem Druck in dichte Gesteine gepresst werden, wodurch bisher unerreichbares Erdöl und Erdgas gefördert werden kann, sorgte vor allem in den USA für einen unerwarteten Boom. Etwa 40% der US-Gasproduktion wurde 2012 mit Hilfe von Fracking gewonnen, wodurch der Gaspreis in den USA deutlich gesunken ist. Auch im rohstoffarmen Deutschland soll mit dieser Methode für Jahrzehnte Erdgas gefördert werden können. Da die ökologischen Risiken dieser Technologie bisher nahezu unbekannt sind, ist in Deutschland und einigen Nachbarländern die Diskussion über Fracking zu einem Politikum geworden.
    
Wir wollen im Rahmen einer Veranstaltung die bisher bekannten Risiken von Fracking ausloten, aber auch die Erwartungen an diese Technologie diskutieren und im europäischen und deutschen  Maßstab bewerten. Bietet Fracking die Chance, das zu Ende gehende Fossil-Zeitalter zu verlängern? Muss die Energiewende mit Fracking neu durchdacht und neu orientiert werden? Ergänzen sich Energiewende und ein neuer Erdgas-Boom vielleicht sogar? Oder könnte der Boom nicht genau so schnell wieder vorbei sein, wie er begonnen hat? Wie viele Umweltschäden und -gefahren, die mit Fracking einhergehen könnten, sind uns unser Wohlstand wert? Viele Fragen, auf die wir uns weiterführende Antworten erhoffen. Wir haben daher folgende Experten zu einer Diskussionsveranstaltung

  • Herr Dr. Steffen Bukold – Energieexperte, Gründer des Beratungsunternehmens „EnergyComment“ sowie Mitgründer des PostFossil-Instituts in Hamburg.
  • Herr Volker Klosowski – Vorstand Technologie der TÜV Rheinland AG.

Die Kommentarfunktion für ältere Artikel ist geschlossen.

Bitte bleibe mit Deinen Kommentaren sachlich und respektvoll.

Kommentarregeln:

An jedem Artikelende gibt es eine Kommentarfunktion. Diese ist für 6 Tage nach Erscheinungsdatum freigeschaltet, danach ist die Kommentarmöglichkeit geschlossen.

Richtlinien für die Kommentare:

  • Rechte Hetze in den Kommentaren wird nicht geduldet.
  • Keine Beleidigungen, bleibt sachlich.
  • Bitte keine Abhandlungen oder sinnfreie Texte schreiben, fasst euch kurz
    (maximal ca. 2500 Zeichen)
  • Bitte nur relevante Inhalte posten.
Der Administrator behält sich vor, Kommentare die sich nicht daran halten zu löschen.