Eine Polemik gegen Veganismus

9. Juli 2012 | Veröffentlicht von Jens Wegener / ws, Keine Kommentare

Kleinbürgerliche Subkulturen sind bekannte Erscheinungen in der Gesellschaft. Mit dem „politische Veganismus“scheint dagegen eine neue Spielart entstanden zu sein.

Was steckt hinter diesen „Leichenteil“-Verweigerern? Eine Frage, die sich auch in Aachen stellt, wo neben „veganen Jugendgruppen“ mittlerweile auch „vegane Restaurants“ entstehen.

Eines möchte ich am Anfang klarstellen: diese Polemik richtet sich in keiner Weise gegen Menschen, die aus geschmacks- oder gesundheitlichen Gründen einen veganen Lebensstil bevorzugen, sondern allein gegen jene, die aus einer Essenskultur ein Politikum machen wollen.

Wenn ich Anfangs die kleinbürgerliche Subkultur erwähne, dann nicht ohne Grund, denn mein Vorwurf ist, dass der Veganismus diesem Spektrum entspringt.

Er ist Ausdruck einer verzweifelten Jugend. Einer Jugend die erkennt, dass ihr das kapitalistische System keine Zukunft mehr bieten kann, die die Härte der politischen Realität zu spüren bekommt und die ihr nicht mehr standhalten kann.

Der Weg zum Veganismus

Der Weg der Erkenntnis ist dabei immer sehr ähnlich: Am Anfang herrscht das Entsetzen über ungerechte Zustände, daraus erfolgt das Streben nach einer Gesellschaft der „totalen Freiheit des Individuums“. Häufig geht das einher mit der Übernahme von anarchistischen oder anarcho-syndikalistischen Ideen. Bewaffnet mit diesem Rüstzeug soll nun die ganze Welt befreit werden. Die zwecks ihrer Befreiung angesprochenen Zielgruppen scheinen jedoch so gar kein Interesse an einer besseren Welt zu haben. Stattdessen geht es denen „nur“ um Lohnerhöhungen, Senkung des Renteneintrittsalters und so weiter.

Wer jetzt nicht bereit ist, seine eigene, politische Rolle zu überdenken und den Gegebenheiten anzupassen, ohne dabei in Opportunismus zu verfallen, dem bleibt nur noch die (politische) Isolation. Zwar lässt sich in der eigenen Gruppe/Kommune die Utopie leben. Doch es fehlen die anderen politischen Objekte. Denn in der eigenen geschlossenen Gruppe muss man niemanden mehr überzeugen oder befreien. Plötzlich entsteht ein Dilemma. Man will ein Objekt haben, aber es soll den eigenen Ideen nicht im Wege stehen.

Am Beispiel der übersteigerten Tierliebe sei das erläutert: tatsächlich leidet die Tierwelt unter den gegebenen Umständen. Massentierhaltung, Überproduktion und die Verschlechterung der Lebensräume für Tiere sind nur einige Aspekte der derzeitigen Situation. Ein Eintreten für eine ökologische Wende ist dementsprechend durchaus vernünftig. Jedoch ist der Schritt zum Veganismus nicht der logische Schritt. Vielmehr geht es darum, die gesellschaftlichen Bedingungen zu verändern, die solche „tier-verachtenden“ Zustände zulassen!

Für die Ideologie „Veganismus“ hingegen ist dieser Zustand ein Segen; er stabilisiert auf Dauer das politische Objekt und dieses kann sich nicht dazu äußern.

Tierliebhaber statt Menschenfreund

Dabei entsteht eine Form von Tierliebe, die sich letztlich zu einem Menschenhass weiterentwickelt. Wie zynisch ist es, den Verzehr von tierischen Produkten zu diskriminieren, während auf der Welt Menschen durch Hunger sterben, die dringend angewiesen wären, solche Fleischprodukte zu bekommen.

Das Leid der Welt wird sicher nicht mit Sojaschnitzeln gelöst

Anstatt die politischen Verhältnisse in den Ländern zu verändern, die für das Ausbluten der dritten Welt verantwortlich sind, protestiert man lieber vor einem Zirkus und merkt nicht, dass man selbst Teil eines tragischen Zirkus ist.

Dass der Veganismus ursprünglich aus der Ideenfabrik von überzeugten Rassisten stammt, verwundert nur wenig. Sehr verwunderlich ist dagegen die völlig fehlende kritische Selbstreflexion derer, die den Veganismus als Ideologie hochhalten. Sicherlich ist es angenehmer, ein Tier zu streicheln und ihm zu erzählen, dass man es gerade befreit hat, als stattdessen vor den Werkstoren der Arbeiterklasse für eine sozialistische Gesellschaftsalternative zu werben. Systemüberwindend ist das Erstgenannte jedenfalls nicht, im Gegenteil. Der gewiefte Kapitalismus hat schon längst reagiert und den Veganismus in sein System integriert. Wo besser kann man überteuerte Preise für billige Produkte nehmen, als bei ideologisch Verblendeten? So finden wir selbst in den großen Supermarktketten vegane Schnitzel, vegane Seife und so weiter und so fort. Über die Perversität, dass Veganer Produkte kaufen, die damit beworben werden, dass sie wie „echte Hamburger“ schmecken, möchte ich mich erst gar nicht auslassen. Aber ich bin überzeugt, dass Veganismus nur der Beruhigung des eigenen Gewissens dient, nicht aber einer grundlegenden Veränderung der Gesellschaft.

Entwicklungsmöglichkeiten?

Trotz meiner starken Kritik am Veganismus möchte ich nochmals betonen: die jungen Menschen, die diesem Irrweg folgen, sind doch welche, die etwas verändern wollen und die die Ungerechtigkeit im Kapitalismus spüren. Vielleicht ist deren Radikalität nach der Erschütterung verständlich. Nur wäre es wünschenswert, dass sie im Laufe der Zeit ein etwas realistischeres Verhältnis zum Veganismus entwickeln.

Andernfalls sind „Veganer mit Fünfzig“ dann bloß noch Teil eines – dann aber erbärmlichen – Zirkus.

(Siehe hierzu auch den Artikel „Kommentar zur Polemik gegen Veganismus„)

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