Ein ungerechtes Urteil

13. Juni 2023 | Veröffentlicht von Pierre Blanchaud, Keine Kommentare

als Folge einer Polizeigewaltorgie …

„Wehe denen, die Böses gut nennen und Gutes böse, die Finsternis zu Licht machen und Licht zu Finsternis, die sauer zu süß machen und süß zu sauer.“ (Jesaja 5:20)

Pierre Blanchaud berichtet hier über ein ungerechtes Urteil als Folge einer Polizeigewaltorgie, die während der Corona-Hysterie stattgefunden hatte. Er versucht auch, über die psychologischen Mechanismen und die philosophische Dimension eines solchen Geschehens nachzudenken.

Zwei abstrakte Betrachtungen und ein konkreter Fall

Was unterscheidet – im Rahmen einer Gerichtsverhandlung, aber auch unter anderen gesellschaftlichen Umständen – eine Wahrheit von einem Irrtum oder von einer Lüge? Die drei Phänomena haben etwas Gemeinsames: Sie sind alle Aussagen, d.h. Reden, Diskurse. Verschieden ist nur ihr jeweiliges Verhältnis zur Realität. Eine Wahrheit ist eine Aussage, die der Wirklichkeit – sprich: den Fakten, den Tatsachen – entspricht, während ein Irrtum oder eine Lüge dies nicht tun: Sowohl das Eine wie die Andere „verpassen“ die Realität, tragen ihr nicht Rechnung. Irrtum und Lüge unterscheiden sich wiederum durch die Absicht des Aussagenden. Beim Irrtum verpasst Letzterer unabsichtlich die Realität, bei der Lüge absichtlich. Daraus darf man die allgemeine Folgerung ziehen, dass sich der Wahrheitsgehalt einer Aussage an ihrem Verhältnis zu Realität messen lässt. Streng genommen sollte dieses Verhältnis das einzige, ausschließliche Kriterium bei der Suche nach Wahrheit bleiben. Das Heranziehen anderer Kriterien bei der Unterscheidung zwischen Wahrheit und Unwahrheit kann in dieser Hinsicht nur schädlich und gefährlich sein. Bei dieser Unterscheidung handelt es sich nämlich um einen Grundsatz des menschlichen Denkens überhaupt. Schon aus diesem Grund dürfte nicht daran gerüttelt werden. Wer den Begriff „Wahrheit“ verwässert, erschüttert zugleich die Grundlagen des gesunden Menschenverstandes – und folglich auch das menschliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft.

Sollte… dürfte… Es ist schon ein halbes Jahrhundert her, als der Philosoph Gilles Deleuze (1925 – 1995) vor einem gesellschaftlichen Trend warnte, der sich schon zu seiner Zeit bemerkbar machte: Die Tendenz, die Glaubwürdigkeit einer Aussage von der „Achtbarkeit“ des Aussagenden abhängig zu machen. Dies führt dazu, dass in der öffentlichen Wahrnehmung gewisse Personen als vorbestimmt betrachtet werden, die Wahrheit zu sagen, während andere Menschen nur lügen oder bestenfalls irren können. Mit seiner Warnung wies Deleuze darauf hin, dass auch ein verpönter Mensch unter Umständen wahrhafte Aussagen machen kann, während achtbaren Mitglieder unserer Gesellschaft, wie z.B. Politiker oder Journalisten, auch irren oder sogar (aber diese letzte Idee ist so abwegig, dass ich es kaum wage, sie zu formulieren!) lügen können.
Spätestens seit den Jahren 2020 / 2021 wissen wir, wie berechtigt diese Warnung war und ist. Während der „Pandemie“ haben wir alle erlebt, wie einerseits nur diejenigen, die den offiziellen Standpunkt stützten, ernst genommen wurden und Zugang zu den Massenmedien hatten; und wie andererseits alle jene, die die Gefährlichkeit des Virus oder den Sinn der verordneten „Schutzmaßnahmen“ in Frage stellten, sofort zu „Schwurbel“, „Verschwörungstheoretiker“, „Coronaleugner“ etc. abgestempelt wurden, was ihnen für eine Mehrheit unserer Zeitgenossen – die mediengläubige und verängstigte Mehrheit – jegliche Glaubwürdigkeit wegnimmt.
Das Pikante an der Sache war, dass sich unter diesen „Unglaubwürdigen“ Naturwissenschaftler und Mediziner von internationalem Ruf befanden, wie z. B. Ulrike Kämmerer, Wolfgang Woodarg, Sucharit Bhakdi, Arne Burkhardt, Didier Raoult, Alexandra Henrion-Caude, Pierre Kory… Menschen, die zu den weltweit anerkannten Spitzenforschern in ihren jeweiligen Fächern zählten oder gezählt hatten. Ihr hervorragender Ruf hat ihnen aber nicht geholfen. Sie mussten miterleben, wie ihre Aussagen von den mainstream-Medien zerrissen und sie selbst in ihren Personen verleumdet wurden, während Leute, die keine Ahnung von der Sache hatten, ihnen öffentlich widersprachen. Denn in diesen dunklen Jahren war das einzige Kriterium, um als „Expert“ anerkannt zu werden und Zugang zu den Massenmedien zu finden, dass man den offiziellen Standpunkt vertrat. Damit haben die Politiker und Journalisten, die diese Hexenjagd betrieben haben, nicht nur den gesunden Menschenverstand, sondern auch die Wissenschaft auf den Kopf gestellt. Was gar nicht mehr in Betracht gezogen wurde, das war der Bezug der Aussagen zur Realität. Von dieser Verteilung der Menschen zwischen „Glaubwürdigen“ und „Unglaubwürdigen“ könnte ich andere Beispiele, auch aus der großen Politik, anführen – es ist aber unnötig, denn sie sind allgemein bekannt.
Und es gibt nicht nur die große Politik: Auch auf der winzigen Ebene eines provinziellen Amtsgerichtes kann leider der neue Trend eine Rolle spielen. Wir werden später sehen, warum ich mich an der Warnung von Deleuze stark erinnert gefühlt habe, als ich am 2. Juni 2023 der Gerichtsverhandlung beiwohnte, die im Raum A.2028 des Justizzentrums Aachen ab 08.30 stattfand.

Es handelte sich um den Prozess zwischen einerseits Frau Laetitia Burciu-Gerth und Herrn Agim Hajdari, und andererseits einer Gruppe von Polizisten um Ereignisse, die sich am 04. September 2021 auf dem Parkplatz vor dem REWE-Markt in Aachen-Brand abgespielt hatten. Dieser Gerichtsverhandlung waren übrigens schon drei andere vorausgegangen, nämlich am 10.01.2023, 11.04.2023 und 16.05.2023. Ich stieg also in den Zug eines Prozesses, der schon seit langem an Fahrt gewonnen hatte.
Deshalb will ich zuerst versuchen, sowohl das Geschehen am 04.09.2021 als auch die bisherigen Entwicklungen des Rechtstreites kurz zu schildern. Dabei stütze ich mich auf schon vorhandene Berichte, die detailreicher und deshalb auch informativer sind als der vorliegende Text.i Mein Interesse gilt vor allem den unterschiedlichen Arten und Weisen, wie im Rahmen des Prozesses auf die Aussagen der verschiedenen Beteiligten reagiert wurde.

Die Geschehnisse

Der 04. September 2021 war ein schöner, aber auch sehr heißer Tag. Gegen 16.30 Uhr schickten sich Frau Burciu und Herr Hajdari an, den REWE-Markt in Brand (Trierer Str. / Königsberger Str. 1) zu betreten. Sie befanden sich noch im Eingangsbereich des Markts, wo die Maskenpflicht nicht galt. Dennoch trug Frau Burciu ihre Maske schon vorschriftsgemäß, während Herr Hajdari, der am Telefonieren war, sie unter der Nase hatte. Ein REWE-Mitarbeiter forderte Herrn Hadjari auf, auch die Nase zu bedecken. Darauf antwortete er: „Hey, Mann, lass mich in Ruhe, ich bin nicht mal drinnen!“ Frau Burciu machte den REWE-Mitarbeiter darauf aufmerksam, dass es sowieso zu diesem Zeitpunkt keinen Kunden im Eingangsbereich des Marktes gab, also niemanden, der hätte „angesteckt“ werden können. Man könnte denken, das seien da unbedenkliche Worte. Aber diese wenigen Worte waren in Wirklichkeit schon zu viel. Das Paar Burciu / Hajdari konnte nicht vorhersehen, dass ihre harmlosen Äußerungen sie in der darauffolgenden anderthalb Stunde in einen dystopischen Albtraum stürzen würden. Ihnen gegenüber wurde direkt von zwei Security-Leute ein Hausverbot ausgesprochen, begleitet mit der eleganten Aufforderung, sich zu „verpissen“. Und die Polizei wurde angerufen. Als das Paar dann den Parkplatz verlassen wollte, versperrte ihnen ein Polizeiwagen den Weg. Von diesem Augenblick an folgten die Ereignisse Schlag auf Schlag aufeinander. Frau Burciu und Herr Hajdari hatten von nun an jede Möglichkeit verloren, den Lauf der Dinge zu beeinflussen, und die Polizei gab ihnen auch nie die Gelegenheit, sich zu erklären.
Zwei weitere Polizeiwagen kamen mit insgesamt sieben Polizisten an. Ein Prozessbeobachter, Dr. Paul Michels vom Arbeitskreis Gewerkschaftler/innen Aachen, berichtet wie folgt über die nächsten Geschehnisse:
„Als eine kleine, dunkelhaarige Uniformierte aus [einem] Polizeiwagen ihr entgegenstürzte, begrüßte Laetitia sie, erhielt aber postwendend eine besonders ruppige Erwiderung in Form von „Schnauze! Zieh Dir Deine Maske an!“ Das war G. Ö., wie es sich später herausstellte. Sofort stieß sie weitere Beleidigungen aus und, unter [dem Ruf] „halte den Abstand!“ kam sie paradoxerweise selber immer näher, um die Kundin auf dem Parkplatz ohne weitere Vorwarnung an den Haaren zu Boden zu ziehen. Das geschah so unvermittelt, dass Laetitia aufgrund eines Reflexes ihr Kopfhaar schützte. (…) Die Beamtin wütete, schrie, beschimpfte Laetitia maßlos und brachte sie schließlich zu Boden. Ihr Opfer nannte sie ab jetzt nur noch „Schlampe“. Trotz Laetitias Rufen: „Lassen Sie mich los, Was geschieht hier?“ und dem Hinweis auf ihr Asthma versuchte die Beamtin ihr Opfer unter Schlägen immer wieder auf den Bauch zu drehen. Da ihr in dieser Lage logischerweise Atemnot drohte, wehrte sie sich gegen diese grobe und unangemessene Behandlung. Sie sagte: „Ich kann nicht atmen.“ Mit Schlägen und Tritten versuchte die Polizistin ihren Willen durchzusetzen. Ihr Opfer reagierte inzwischen abwehrend und geriet in einen Angstzustand. Diese selbst verschuldete Gegenwehr unterband die Beamtin durch das Anlegen von Handfesseln. Sie zog die Kabelbinder aber zu eng. Die Schmerzen, die sie damit erzeugte, schienen ihr egal zu sein, vielleicht sogar willkommen. Ihren Verbalinjurien ließ diese übermäßig aggressive Frau freien Lauf. Damit waren schon die Merkmale psychischer Grausamkeit erfüllt. Zu allem Überfluss bat sie [eine] zweite Beamtin, sich [auch] auf das Opfer zu setzen. [So saßen nun zwei Polizistinnen auf Laetitia, eine auf ihren Schultern, die andere auf ihrem Becken].“ii
Währenddessen wurde Herr Hajdari von anderen Polizisten eingekreist, damit er Frau Burciu nicht zu Hilfe kommen konnte. Auch er musste einige Demütigungen über sich ergehen lassen: Beschimpfungen, Anlegen von Handschellen, rechtswidrige Leibesvisitation…

Dr. Paul Michels weiter:
„Einem Passanten, der nach dem Warum dieser Behandlung fragte und seine Hilfe anbot, wurde nach Aufnahme der Personalien unter Androhung von strafrechtlichen Konsequenzen durch den Polizisten Paul K. zum Weitergehen genötigt. Alle anderen [Anwesenden] taten nichts, um dem Opfer zu helfen. Sie standen da und glotzten.“
Nach circa 15 Minuten kamen die Polizistinnen anscheinend zu der Überzeugung, sie hätten lang genug ihr Opfer auf dem heißen Asphalt des Parkplatzes „fixiert“ (Polizeijargon). Frau Burciu wurde dann zu einem überhitzten Polizeiwagen geführt, in dem sie, immer noch in Handschellen und mit engen Sicherheitsgurten, ungefähr 75 Minuten, ohne Wasser und ohne frische Luft, eingesperrt blieb. Erst nach dieser Zeitspanne fand dieser „Polizeieinsatz“ ein abruptes Ende: Frau Burciu und Herr Hajdari wurden gegen 18.30 Uhr erklärungslos entlassen. Meines Erachtens ist es in einem solchen Fall nicht übertrieben, von Quälerei zu sprechen: Frau Burciu ist 90 Minuten lang ununterbrochen gequält worden. Nach der ersten Gerichtsverhandlung am 10. Januar 2023 zählten, zusammen mit den beiden Opfern, Dr. Paul Michels und andere Prozesszuschauer alle möglichen Klagepunkte auf, die in juristischer Hinsicht in einem Prozess gegen diesen Polizeieinsatz hätten zur Sprache kommen können. Es sind nicht weniger als fünfundzwanzig Punkte!iii

Und schon wird Finsternis zu Licht gemacht, und Licht zu Finsternis – oder: so einfach ist es, den Spieß umzudrehen

Warum benutze ich aber hier den Konjunktiv (hätten)? Weil die Staatsanwaltschaft Aachen dafür gesorgt hatte, dass es zu einem solchen Prozess, der die Gewaltorgien von Polizisten aufgedeckt hätte, gar nicht kam. Bei dem Prozess, dessen erste Verhandlung am 10.01.2023 stattfand, war der Spieß schon umgedreht worden: Die Polizisten waren die Kläger und die beiden Opfer die Angeklagten. Wie es dazu kam, erzählt Frau Burciu selber:
„Als ich dann am 09.09.2021 eine mündliche Anzeige gegen diese sinnlose Polizeigewalt beim Polizeipräsidium Aachen erstattete, solidarisierten sich die Polizisten in der Lüge. Sie erfanden eine eigene Version der Geschichte, die mit der Realität so gut wie nichts zu tun hatte: der Spieß wurde umgedreht: Statt als Opfer dieses brutalen, sinnlosen Polizeiangriffs anerkannt zu werden, wurden wir nun als Täter dargestellt bzw. als Beschuldigte angezeigt!! Noch ein erstaunliches Detail: Vier der sieben im September anwesenden Polizeibeamt/Innen kommen in dieser Version überhaupt nicht mehr vor – und die anderen 3 sind selbst Zeugen in diesem Prozess!“ [4]
Mit anderen Worten: anstatt die Anzeige von Frau Burciu anzunehmen, verklagte die Staatsanwaltschaft sie und Herrn Hajdari unter dem Motto „Strafsache wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte u.a…..“. In seinen lesenswerten Berichten über die Gerichtsverhandlungen zählt Dr. Paul Michels alle Fakten auf, die auf eine unendliche Nachsicht zugunsten der Polizisten schließen lassen – nicht nur seitens der Staatsanwaltschaft, sondern auch seitens der Richter. Egal wie unplausibel, wie widersprüchlich das Verhalten und die Aussagen der Polizeibeamten waren, es wurde ihnen alles unkritisch geglaubt. Erstaunlich ist z.B., dass sich Polizisten, die eigentlich als Zeugen geladen worden waren, erlauben konnten, den Gerichtsverhandlungen ohne triftigen Grund – und ohne dafür belangt zu werden – fernzubleiben. Ein anderer interessanter Punkt war „das späte Spucken“. In der ersten Version der Klageschrift gegen Frau Burciu war es – unter den Vorwürfen, die die Polizisten ihr machten – keine Rede von „spucken“. Ein Jahr später tauchte aber dieser zusätzliche Vorwurf auf: Frau Burciu hätte während des Gerangels auf die Polizisten „gespuckt“. Wenn es in der Tat so gewesen ist, warum haben die Ankläger das nicht sofort bemerkt? Warum ist diese geheimnisvolle Spucke so langsam geflogen, dass sie erst ein Jahr später auf den Polizisten landete? Es wäre aber zu lang, hier an alle Behauptungen und Fakten zu erinnern, die ein seltsames Licht auf die Prozessführung warfen.

Erlebnisse eines Prozesszuschauers

Mir scheint es wichtig zu erzählen, was ich am 02.06.2023 als Zuschauer der vierten Gerichtsverhandlung erlebt habe. Bei den vorangegangenen Gerichtsverhandlungen waren nur die Polizeibeamten aufgetreten – samt und sonders Belastungszeugen für Frau Burciu und Herrn Hajdari. Inzwischen hatten sich die Richter aber daran erinnert, dass es auch einen Entlastungszeugen für die Angeklagten gab: Herrn Ebach, der junge Mann, der bei den Geschehnissen am 04.09.2021 Frau Burciu helfen wollte und von dem Polizisten Paul K. in Schach gehalten worden war. Ich bin, glaube ich, nicht der einzige Zuschauer gewesen, der Sympathie für die Klarheit empfunden hat, mit der Herr Ebach vor dem Gericht das Geschehen geschildert hat – zumindest, das, was er von dem Geschehen hatte sehen können, denn der Beamte Paul K. hatte natürlich alles getan, um ihn daran zu hindern. Gefragt nach den Gründen seines Eingreifens antwortete Herr Ebach, dass er so erzogen wurde, Willkür nicht zu akzeptieren. Probleme mit Polizeigewalt habe er auch selber gehabt. Ich sah mir das Gesicht des Richters Witt an, und versuchte zu erraten, welchen Eindruck diese Zeugenaussage auf ihn machte. War er sich dessen bewusst, dass er vor sich, in der Person von Herrn Ebach, eine wertvolle Seltenheit hatte – jemanden, der nicht wegguckt, sondern in Gegenteil genau hinguckt, wenn es brenzlich wird? Verstand er, dass diese Aussage eines mündigen Bürgers, eines Menschen mit Zivilcourage, eigentlich eine implizite Aufforderung an ihn, den Richter, darstellte, Gerechtigkeit walten zu lassen? Auf diese Fragen sollte ich erst am Ende der Verhandlung eine Antwort bekommen. Nachdem eine Freundin von Herrn Ebach, die wenig von dem Geschehen gesehen hatte, kurz ausgesagt hatte, ergriff die Staatsanwältin das Wort. Auffallend war, dass sie absolut unkritisch die Version der Polizisten übernahm: Mit ihren wilden Gebärden habe Laetitia Burciu, durch ihren unberechtigten Widerstand gegen die Staatsgewalt, eine Gefahr für die sieben anwesenden Polizeibeamten dargestellt – daran ließ die Staatsanwältin keinen Zweifel. Dann durfte Laetitia Burciu ihren Standpunkt noch einmal erörtern, bevor Richter Witt das Urteil verkündete. Meine Hoffnung, dass er aus der Aussage von Herrn Ebach etwas für seine eigene Einstellung und sein Verhalten gelernt hätte – diese Hoffnung war sofort hin. Er machte keinen Hehl daraus, dass auch er die Version der Polizisten für wahr hielt. Die Aussage von Herrn Ebach tat er ab, indem er bei diesem Zeugen „eine Voreingenommenheit gegen die Polizei“ sah. Und mit Voreingenommenheit lässt Richter Witt nicht mit sich spaßen: Auf der Suche nach der Wahrheit sei sie fehl am Platz. Ergo: dieser Zeuge habe sich selber disqualifiziert. Deshalb brauche er als Richter gar nicht seine Aussage in Betracht zu ziehen. Wir, die Prozesszuschauer, waren voll Bewunderung für die Strenge dieses richterlichen Gewissens. Nur schade, dass Staatsanwaltschaft und Richterschaft während den vorangehenden Gerichtssitzungen gar nicht auf die Idee gekommen waren, dass es (vielleicht, vielleicht!) auch bei den aussagenden Polizisten eine gewisse Voreingenommenheit geben könnte. Natürlich gegen die Angeklagten, und zugunsten der Kollegen – eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Meines Erachtens haben Staatsanwälte und Richter nicht nur mit zweierlei Maß gemessen. Sie haben auch die Menschen in zwei Gruppen geteilt: Diejenigen, die – sozusagen per Natur, per Quintessenz – die Wahrheit ein für alle Mal gepachtet haben – das sind hier die Polizisten; und diejenigen, denen man auf keinen Fall Glauben schenken darf – das sind Frau Burciu, Herr Hajdari, Herr Ebach… Kein Wunder, dass ich mich in diesem Augenblick der Urteilverkündung an Deleuzes Warnung erinnert gefühlt habe.

Ein tief ungerechtes Urteil

Der Richter Witt hat Frau Burciu in dieser strafrechtlichen Angelegenheit wegen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte u.a…..“ zu einer Strafe von 3600 € auf Bewährung verurteilt. Und ein zweiter Prozess wartet noch auf sie, den sie höchstwahrscheinlich auch verlieren wird. Ihre Hauptquälerin, die Polizistin G.Ö., hat nämlich am 03.01.2023 eine Zivilklage gegen sie eingereicht, die von dem Aachener Amtsgericht sofort am 08.01.2023 zugelassen wurde, obwohl der Strafverfahren noch nicht abgeschlossen war. Während der Rangelei am 04.09.2021 wurde Ö.s Smartwatch zerkratzt, und vermeintlich hat sie sich auch an einem Finger verletzt. Die Schuld dafür gibt sie selbstverständlich Frau Burciu, und verlangt von ihr eine Entschädigung von 1000 €.
Was kann man, was soll man noch schreiben? Es ist schwer, sich des Eindrucks zu erwehren, dass in diesem Prozess Staatsanwälte und Richter von vornherein mit den prügelnden Polizisten „unter einer Decke gesteckt haben“. An diesem 2. Juni 2023 ist gegen 10.30 Uhr, im Raum A.2028 des Amtsgerichtes Aachen, ein Urteil gefällt worden, womit sich die Aachener Justiz nicht mit Ruhm bekleckert hat. Ein tief ungerechtes Urteil, das einem demokratischen Rechtsstaat unwürdig ist. Eher einem Obrigkeitsstaat ist es würdig – einem Staat, der unter sich nur Untertanen duldet, und mündigen Bürgern mit Misstrauen begegnet.

Das eigentliche Verbrechen, wofür Frau Burciu bestraft wurde, ist, dass sie den Rechtsstaat um Hilfe gebeten hat

Nicht von ungefähr spreche ich hier von Obrigkeitsstaat. Denn eine nüchterne Analyse der Ereignis-Folge seit dem 04.09.2021 zeigt, dass der Grund, warum Frau Burciu am 02.06.2023 verurteilt worden ist, eigentlich nicht ihr vermeintlicher „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte u.a…..“ war. Nachdem Frau Burciu und Herr Hajdari nach einer Anderthalb-Stunden-Quälerei in die Freiheit entlassen worden waren, hatten die beteiligten Polizisten offensichtlich nicht vor, sie weiter zu verfolgen. Für sie war jetzt „alles gut“ – wie man in der Alltagssprache sagt. Großzügigerweise hegten sie kein Ressentiment mehr: jeder und jede sollte von nun an seinen/ihren friedlichen Weg gehen. Sie hätten beinahe Frau Burciu und Herrn Hajdari „noch einen schönen Tag“ wünschen können. Mit anderen Worten: Wenn Frau Burciu und Herr Hajdari nicht versucht hätten, am 09.09.2021 eine Anzeige zu erstatten, wären sie nicht strafrechtlich verklagt worden. Sie sind dafür bestraft worden, weil sie den Schutz des deutschen Rechtsstaates gegen ein Unrecht, das ihnen widerfahren war, gesucht haben. Dass die Rumänin Laetitia Burciu und der aus dem Kosovo stammende Deutsche Agim Hajdari sich erdreisten, eine Anzeige gegen deutsche Beamten zu erstatten, das ging eindeutig zu weit. Und die Tatsache, dass beide in Deutschland gut integriert sind und bis jetzt in diesem Land ein unauffälliges Leben geführt hatten, spielte für Staatsanwälte und Richter anscheinend keine Rolle. Jetzt sind sie aber „auffällig“ geworden. Da sie strafrechtlich verurteilt sind, wird diese Angelegenheit ihre Spur in ihren Akten hinterlassen.

Standpunkt eines Traumatologen

Franz Ruppert ist ein weltweit bekannter Professor für Psychologie mit Arbeitsschwerpunkt Psychotraumatologie. Bei der Lektüre seiner Analyse über das Verhältnis Trauma-Opfer / Trauma-Täter bin ich auf die folgenden Zeilen gestoßen. Sie passen so gut zu dem Fall Burciu / Hajdari, dass sie mir als Schluss für diesen Artikel dienen werden:
„Es kann sein, dass Trauma-Täter keinerlei Grenzen respektieren, weder rechtliche noch moralische. Daher kommt es, dass Trauma-Täter Dinge tun, die dem gesunden Menschenverstand völlig fremd erscheinen. (…) Falls ihre schlimmen Taten nicht zu verleugnen sind, ist es das Hauptziel von Trauma-Tätern, sich als unschuldig darzustellen. Dazu ist es am besten, die Täter-Opfer-Umkehr zu versuchen, das heißt sich selbst als das eigentliche Opfer darzustellen, Lügen über die Opfer zu verbreiten, sie zu beschuldigen und zu beschämen (…). So werden die Opfer als die eigentlichen Täter bezichtigt, an den Pranger gestellt und blamiert. (…) Opfer, die sich gegen Gewalt wehren, werden als besonders böse und hinterhältig hingestellt. Sie müssen erst recht mit aller Härte bestraft werden.“ [5]

Anmerkungen

[1] S. den Artikel von Dr. Ansgar Klein in KRAZ (15.01.2023) https://kraz-ac.de/prozess-als-folge-der-corona-hysterie-8879. Und auch die von Dr. Paul Michels in http://ak-gewerkschafter.com/.

[2] http://ak-gewerkschafter.com/die-corona-hysterie-und-das-daraus-resultierende-zivilverfahren-gegen-kollegin-lititia-burciu-gerth-vor-dem-amtsgericht-aachen-ein-bericht-von-unserem-ak-mitglied-dr-paul-michels/

[3] S. Anhang von http://ak-gewerkschafter.com/die-corona-hysterie-und-das-daraus-resultierende-zivilverfahren-gegen-kollegin-lititia-burciu-gerth-vor-dem-amtsgericht-aachen-ein-bericht-von-unserem-ak-mitglied-dr-paul-michels/

[4] http://ak-gewerkschafter.com/als-ak-rufen-wir-zur-teilnahme-an-der-gerichtsverhandlung-die-ein-corona-hysterie-nachspiel-gg-unsere-buendnis-mitstreiter-darstellt-fuer-dienstag-d-11-01-2023-vor-dem-amtsgericht-aachen-auf/

[5]  Franz Rupperts Zitat befindet sich S. 6-7 in Marcus Klöckner & Jens Wernicke, „Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen.“ Das Corona-Unrecht und seine Täter, 3. Auflage, Rubikon-Verlag, München 2022.

 

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