Die 21. Kundgebung gegen den Krieg in der Ukraine

9. April 2024 | Veröffentlicht von , Ein Kommentar

Mit weißen Fahnen FÜR Diplomatie!

Bei herrlichsten Frühlingswetter und einer Stadt voller entspannter Menschen, die nur bummelten oder in den Cafés draußen saßen, gab es trotz dieser friedlichen Stimmung einen traurigen Anlass für eine Demonstration und Kundgebung: Es sind die andauernden Kriege in der Ukraine und Gaza – und das Grauen, dass sich Deutschland durch Waffenlieferungen an diesem Morden beteiligt.

Seit über zwei Jahren lautet die Forderung der Demonstration:

Diplomatie statt Waffen und Sanktionen.

Die friedliche Atmosphäre in einer Stadt war fast unwirklich, wenn einem bewusst war, dass keine 1500 km entfernt ein Krieg tobt, in dem zeitgleich Menschen sterben. Deshalb war der Anlass für diese Kundgebung und Demonstration mehr als angemessen, auch wenn nur etwa knapp 80 Menschen an dieser Kundgebung teilnahmen.

Weiße Fahnen

Das Besondere bei dieser Aktion war die Vereinbarung, mit möglichst vielen weißen Fahnen zu demonstrieren. Und so kam es auch: einige TeilnehmerInnen hatten eigene Fahnen mitgebracht. Zusätzlich hatten die Veranstalter dafür gesorgt, dass für jeden der wollte, auch eine Fahne da war. [2]
Während der Kundgebung und der Demo wurde immer wieder betont, dass diese ‚Weißen Fahnen‘ nicht das Symbol für „Aufgeben“ oder „Niederlage“ sind, sondern dass die ‚Weiße Fahne‘ das Symbol der Diplomatie ist, das Symbol ist für Emissäre in Kriegen, die über das Ende eines Krieges und über die Friedensbedingungen verhandeln wollen.

Und die ‚Weißen Fahnen‘ in die Hand zu nehmen ist in der Bundesrepublik mittlerweile wirklich wichtig, weil unsere Herrschenden die BürgerInnen „kriegstüchtig“ machen wollen – so wie das der deutschen Obrigkeit im letzten Jahrhundert schon zweimal mit der deutschen Bevölkerung gelungen ist. Von interessierter Seite wird alles getan, um die Waffenexporte in die Ukraine – und damit das Sterben dort – fortzusetzen oder gar noch auszuweiten.

Die Reden auf der Kundgebung

Der zentrale Vortrag wurde von der Psychiaterin und Psychotherapeutin Claudia Mellies gehalten, den wir im Anhang [3] dokumentieren und ausdrücklich zur Lektüre empfehlen. Sie beschrieb sehr eindrucksvoll, wie die Kriege traumatisierend auf die Menschen einwirken: für Menschen die die Kriege selber erleben, aber auch für die, die Kriege nur mittelbar über die Medien erleben. Und sie sprach von der großen Verantwortung, die wir als Bürger der Bundesrepublik haben, alles zu tun, damit der Anlass für solche Traumata beseitigt wird: KEINE Kriege mehr!
Ihr Schlusssatz war:

Lasst uns die Chance nutzen, dass wir viele verschiedene Kulturen in unserem Land vereinen, die letztlich Frieden und Freiheit wollen!
Friedensliebende, Freiheitsliebende, Menschen aller Länder vereinigt Euch!
Als Menschheitsfamilie.“

In den weiteren Reden wurde immer wieder kritisiert, dass die Lieferung von Waffen und das Sanktionieren von anderen Staaten der völlig falsche Weg ist – und dass die einzige Chance für das Ende DIESES Krieges (wie jedes anderen) in Verhandlungen und Diplomatie liegt.

Ein Redner ging genauer auf die „Weißen Fahnen“ ein, die ja erst durch den Papst wieder in das öffentliche Bewusstsein gerückt sind. Dem Papst wurde dann natürlich sofort von den Kriegs-Willigen unterstellt, es ging ihm um Niederlage der Ukraine – wobei die Weiße Fahne doch eigentlich DAS Symbol für Diplomatie und Verhandlungen ist.

Die Demonstration

Auf der anschließenden Demonstration erwirkten die Weißen Fahnen ein wunderbares Bild.
Während die 70 bis 80 Leute durch die Innenstadt zogen, waren sie für die vielen Zuschauer ein großartiger und wohl auch berührender Anblick, der immer wieder zu spontanem Zuspruch führte.
Die Durchsagen während der Demonstration machten den Zuschauern den Zweck der Demonstration deutlich – nämlich ein Ende des Ukraine Krieges zu erreichen! Und sie verstanden, dass das nicht durch ‚Sieg‘ oder durch Waffen geschehen wird, sondern letztlich nur durch Verhandlungen, durch Diplomatie UND durch einen sinnvollen Ausgleich der (Sicherheits-) Interessen aller Seiten – letztlich also durch einen guten Kompromiss!

Während der Kundgebung – und noch beeindruckender während des Demonstrationszuges – sangen Katharina und Jochen einige Lieder, die in der ruhigen, frühlingshaften Atmosphäre großartig ankamen! Wir möchten hier zwei Titel (beide von Reinhard Mey) besonders herausheben: „Nein meine Söhne geb‘ ich nicht“ und „Sei wachsam“. In der von Katharina gesungen Version sogar deutlich überzeugender als beim Original von Reinhard Mey. Unseren LeserInnen sei empfohlen, sich beide Texte nochmal zu Gemüte zu führen. Sie passen jedenfalls zu 100% in unserer heutigen (Kriegs-)Zeit [1]

Während der Aktion wurde mehrfach darauf verwiesen, dass im Anschluss zu dieser Demonstration noch ganz in der Nähe eine weitere stattfinden würde, deren zentrales Thema „Gaza und der Krieg dort“ sei. Es wurde aufgerufen, dass diejenigen, die Zeit und noch Kraft hätten, anschließend auch dort hingehen könnten. (hier ist noch der Demo-Bericht geplant)

Rückblick und Ausblick

Die Veranstalter glauben, dass diese Kundgebung insbesondere durch die Weißen Fahnen einen enormen Eindruck bei den Zuschauern hinterlassen hat. Auch die Stimmung bei den TeilnehmerInnen war sehr positiv.
Daher ist geplant, dass die nächste Demo und Kundgebung – die ja wieder am ersten Samstag (siehe Link) im Mai stattfinden wird – erneut mit vielen dieser Weißen Fahnen stattfinden wird.

PS: Diesmal war niemand von der „Stör-Abteilung“ zu erkennen!

Anmerkungen

[1] Liedertexte von Reinhard Mey:

[2] Die Fahnenstangen waren einfache Stöcke, die jemand aus seinem Gartenabfall mitgebracht hatte. Aus der Tatsache dieser krummen „unprofessionellen Stöcke“ entstand eine Diskussion, dass das doch genau die RICHTIGEN Stöcke wären – weil in einer Situation, in der sich Emissäre im Krieg zu Verhandlungen aufmachen würden, kaum jemand Zeit habe, sich „professionelle“ Stöcke zu besorgen, sondern irgendjemand ein ‚weißes Tuch‘ und jemand anderes eben irgendeinen Ast besorgen würde …

[3] Rede von Claudia Mellies

Ich bin Psychiaterin und Psychotherapeutin. Aber ich spreche nur für mich, ….

Wir waren ein gespaltenes Volk, im Westen aufgewachsen mit der Angst vor den Russen und der Dankbarkeit gegenüber den Amerikanern. In der DDR waren die meisten oft beiden imperialistischen Ländern gegenüber skeptisch. Klar ist, dass verschiedene Ängste gerade wieder aktiviert werden.
Von Deutschland ging zwischen 1933 und 1945 unfassbares Leid aus. Deutschland hat den Krieg verloren und das war unsere Chance und wir dürfen diese nicht verpassen!

  • Wir haben in unserer westdeutschen Verfassung gute Gesetze und Ideale verankert:
    Nie wieder Krieg, Die Würde des Menschen ist unantastbar.
  • In der ostdeutschen Nationalhymne heißt es:
    Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt. … Alle Welt sehnt sich nach Frieden, reicht den Völkern eure Hand.
    Wir wissen, dass Traumatisierungen über Generationen hinaus nachwirken.

In meiner alltäglichen Arbeit versuche ich Traumatisierung zu heilen oder erträglich zu machen. Das ist oft ein sehr schwieriger, langsamer und häufig auch erfolgloser Prozess.
Aktuell erlebe ich viele verunsicherte junge Menschen, mit Zwangsstörungen und Ängsten, die sich ihr eigenes Gefängnis in einer eigentlich freien Gesellschaft bauen. Andere sind erschöpft, zurückgezogen, aggressiv oder wollen mit allem nichts zu tun haben, spalten ihre Gefühle ab.

Was passiert da gerade in unserer Gesellschaft?
Wie arrogant und respektlos gehen wir oft miteinander um, mit Armen, mit den Geflüchteten, mit Andersdenkenden?
Das tut uns allen nicht gut.

  • Zwei Jungen, die sich streiten und sagen, Der hat angefangen, Nein Der, denen würden wir sagen, das ist egal, ihr müsst eine Lösung finden. Aber wir Erwachsenen finden keine Lösungen mehr. Wir geben dem einen ein Messer in die Hand, und der andere bekommt zwei Messer in die Hand und immer mehr Menschen sind hineingezogen.
  • Die Mutter, deren Kind ermordet wurde, dürstet nach Rache. Das ist ihr Recht. Aber ist es eine Lösung, die Kinder des Mannes oder der Frau zu töten und die Spirale weiter zu eskalieren?

Ich empfinde die derzeitige Politik der Gewaltspirale, der Kriegsrhetorik, der Sieger-rhetorik, der „Wir sind die Guten, die anderen die Bösen“ als traumatisierend oder auch primitiv.

Traumata zerstören nicht nur die Opfer, auch die Täter und auch die Zuschauer.
Irgendwann sind Opfer und Täter nicht mehr voneinander zu trennen.

Psychoanalytisch nehmen die Opfer Täteranteile in sich auf.
Opfer, wenn sie überleben, werden häufig depressiv oder selbst wieder zu Tätern.

Wenn Robert Habeck sagt, die Friedensdemonstranten sind naiv, dann bin ich gern naiv, gemeinsam mit Martin Luther King, Mahatma Ghandi und vielen anderen klugen Menschen.
Wenn Anna-Lena Baerbock sagt, wir müssen auch die andere Seite mitdenken, die Seite der Ukrainer und die Seite der Israelis, dann vergisst sie eben die andere Seite.

Aber es sind nicht die Politiker.

Wenn wir alle auf die Straße gehen oder laut sagen, dass wir uns nicht mehr mit „helfenden Waffen“ an Kriegen beteiligen wollen, dann werden nur noch Verhandlungen bleiben.
Aber wir tun es nicht.

Wenn wir mit Liebe und Respekt mit unseren Mitmenschen umgehen, mit anderen Ländern umgehen, dann können wir das in die Welt tragen. Dann würden die Menschen auf Deutschland schauen. Dann würden sie sagen, in Deutschland hat man gelernt. Sie meinen es ernst mit ihren Werten.
Aber wir sind in der Angst, Lähmung oder Aggression statt in der Verantwortung. Wir meinen uns auf eine Seite schlagen zu müssen.

Wir haben eine große Chance in Deutschland. Wir sind mittlerweile ein Land verschiedener Kulturen. Die meisten sind nach Deutschland gekommen, weil sie meinten, es sei ein sicheres, wohlhabendes Land.
Aber, liebe Mitbürger der verschiedenen Nationen, Ihr seid keine Randgestalten mehr, Ihr müsst euch einbringen, wir alle müssen zusammen für die Freiheit, den Fortbestand der Demokratie, des Wohlstands, des respektvollen Miteinanders eintreten.
Es kann nicht sein, dass Menschen mit Palästinensischer Vergangenheit auf die Straße gehen wenn es um Palästina geht, die Kurden für die Kurden, die Iraner für den Iran, Afghanen für Afghanistan.

Wir sind ein Land vieler Nationen und ich wünsche mir, dass sich Juden neben Christen neben Moslems neben Atheisten wohlfühlen und für die Freiheit, den Frieden, die Liebe und das Miteinander eintreten und kämpfen.

Ich liebe den Ausspruch: Stell dir vor es ist Frieden und alle gehen hin.

Ich will nicht, dass wir kriegstüchtig werden, dass wir push-backs an unseren Grenzen betreiben, dass wir Ägypten und die Türkei dafür bezahlen, uns die Flüchtlinge vom Hals zu halten.
Ich will, dass wir größer denken. Dass wir nicht an mehr Traumatisierungen beteiligt sind.

Wir leben in EINER Welt. Lasst uns das endlich verstehen und die weiße Fahne hissen, für den Frieden, für die Menschen! Traumatisierungen zu stoppen und heilen zu lassen. Wir wissen von Sabine Bode aus ihren Büchern „Kriegskinder“ und „Kriegsenkel“ wie lange das dauert. Wie lange wollen wir unseren Kindern zeigen, dass wir als Erwachsene keine Lösungen finden, dass wir nur töten können bis wir siegen.

Lasst uns die Chance nutzen, dass wir viele verschiedene Kulturen in unserem Land vereinen, die letztlich Frieden und Freiheit wollen!

Friedensliebende, Freiheitsliebende, Menschen aller Länder vereinigt Euch!
Als Menschheitsfamilie.“

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