CETA-Entscheidung: Die SPD und das Projekt 18%

20. September 2016 | Veröffentlicht von Heinz Richrath / ws, Keine Kommentare

Nach-Gedanken zur SPD-Entscheidung nach diesen Anti-CETA-Demos

Zwei Bemerkungen zu den Demos von Samstag haben die kraz-Redaktion dazu erreicht.
Die eine trägt den Titel: „Gabriel trägt die Schuhe von Westerwelle auf“; die andere ist ein „Zwischenruf“ und zitiert einen noch heute aktuellen Tucholsky-Text.

Gabriel trägt die Schuhe von Westerwelle auf

Nach der Zustimmung des SPD Konvents zu CETA hat die Glaubwürdigkeit der SPD auf der nach unten offenen Verlogenheitsskala einen nicht mehr darstellbaren Wert angenommen. Den Pöstcheninhabern scheint das Schicksal der Partei völlig am Hintern vorbeizugehen. Mitglieder mit Restbeständen von Anstand und Demokratie-Verständnis sollten spätestens jetzt die Flucht ergreifen.

Wir können weder den SPD Oberbürgermeister einer Kleinstadt noch den Kassenwart vom SPD Ortsverein aus der Verantwortung entlassen. Ohne Indianer gibt es  keine Häuptlinge. Man kann nicht Mitglied der Mafia sein und sich gleichzeitig von den Verbrechen distanzieren.

Der Widerstand gegen das Ermächtigungsgesetz 1933 gehörte zu den Sternstunden deutscher Sozialdemokratie. Heute schließt man sich dem Ausverkauf der Demokratie freiwillig an. Es klingt geradezu wie Hohn, wenn der SPD Fraktionsvorsitzende Oppermann in Erinnerung an die tapferen Sozialdemokraten der 30er Jahre erklärt: „Die Namen sind für mich Ermahnung und Ermutigung. Ihr Mut ist unsere Verpflichtung, auch heute konsequent gegen alle antidemokratischen Tendenzen vorzugehen“

Offenbar neigen SPD Mitglieder zu einer dissoziativen Identitätsstörung

Gegen TTIP aber für CETA. Für soziale Gerechtigkeit aber für Hartz 4.
Gegen Waffenexporte aber soviel exportieren wie noch nie –
„Ich bin für Regen, nur nass darf er nicht sein.“
Von Scham keine Spur. Sigmund Freud sah in Schamlosigkeit ein erstes  Anzeichen von Schwachsinn.
Ich glaube, er hatte Recht.

— und hier der Zwischenruf

Es interessiert sie nicht, dass 320.000 Menschen gegen CETA und TTIP protestierten.
Es interessiert sie nicht, in Berlin 6,7 % der Stimmen verloren zu haben.
Sie stimmten für CETA !
Sie leben offensichtlich  in einer ganz anderen Welt, um vor diesem Hintergrund so zu entscheiden. Doch der SPD geht es wohl längst nicht mehr darum, die Interessen der Bürger dieses Landes zu vertreten. Man will sich offensichtlich nur noch den herrschenden Eliten und den internationalen Großkonzernen anbiedern.
Mit der Zustimmung zum Freihandelsabkommen CETA scheint die mit der Agenda 2010 begonnene Wandlung der SPD zu einem reinen Erfüllungsgehilfin des deutschen Kapitals endgültig vollzogen sein.
Zum Thema TTIP und CETA ist wohl bereits alles relevante gesagt. Man sollte dennoch noch einmal anmerken, dass faktisch jede öffentliche und subventionierte Einrichtung wie der öffentliche Nahverkehr, wie öffentliche Bibliotheken, wie Kindergärten, wie Oper und Theater, Anlass zu einer Klage wegen Wettbewerbsverzerrung und Benachteiligung von privaten Investoren geben können.

==> Man muss sich dann erinnern, bei wem man sich zu bedanken hat <==

Einmal waren wir beide gleich.
Beide: Proleten im deutschen Kaiserreich.
Beide in derselben Luft,
beide in gleicher verschwitzter Kluft;
dieselbe Werkstatt – derselbe Lohn –
derselbe Meister – dieselbe Fron –
beide dasselbe elende Küchenloch …
Genosse, erinnerst du dich noch?

Aber du, Genosse, warst flinker als ich.
Dich drehen – das konntest du meisterlich.
Wir mußten leiden, ohne zu klagen,
aber du – du konntest es sagen.
Kanntest die Bücher und die Broschüren,
wußtest besser die Feder zu führen.
Treue um Treue – wir glaubten dir doch!
Genosse, erinnerst du dich noch?

Heute ist das alles vergangen.
Man kann nur durchs Vorzimmer zu dir gelangen.
Du rauchst nach Tisch die dicken Zigarren,
du lachst über Straßenhetzer und Narren.
Weißt nichts mehr von alten Kameraden,
wirst aber überall eingeladen.
Du zuckst die Achseln beim Hennessy
und vertrittst die deutsche Sozialdemokratie.
Du hast mit der Welt deinen Frieden gemacht.

Hörst du nicht manchmal in dunkler Nacht
eine leise Stimme, die mahnend spricht:
„Genosse, schämst du dich nicht –?“

(Kurt Tucholsky – An einen Bonzen)

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