Besuch der „Burg“ Vogelsang

12. August 2013 | Veröffentlicht von Walter Schumacher, Keine Kommentare

Die Aachener Fraktion der Linkspartei wird am 18.08.13 eine kritische Führung&Besichtigung der „Burg“ Vogelsang machen. Für die Hin- und Rückfahrt hat die Fraktion einen kleinen Bus angemietet. Treffpunkt ist am Sonntag, den 18. August 2013 um 11:00 Uhr am Hauptbahnhof Aachen. Wer daran teilnehmen möchte, soll sich bitte baldmöglichst im Fraktionsbüro anmelden.

Durch die im Original der Einladung unreflektierte Benutzung des Begriffs „Burg“ in der o.g. Einladung aufmerksam geworden, dokumentiert die kraz im Folgenden zwei Artikel von Jan&Feb 2007 aus der z-ac, einer mittlerweile privatisierten Aachener Internetzeitung.

„Burg Vogelsang“ in der Eifel – überlebt das Nazi-Bauwerk antifaschistische Führungen?

Erstveröffentlichung:Jan 2007 (Walter Schumacher)
Dicht bei Aachen liegt eine Nazi-Hinterlassenschaft: die „“Ordensburg Vogelsang“.

Zu deren Geschichte:

Erbaut von den Nazis in den 30-er Jahren. Sie wollten dort ihre „Eliten“ erziehen und ausbilden.
Nach dem Krieg von den Engländern und Belgiern im Rahmen der Nachkriegs-Besatzung erweitert und militärisch genutzt.
Nach 1989 an die BRD zurückgegeben.
Seit 2005 öffentlich zugänglich und ohne echtes Konzept „genutzt“.
Das Aachener „Bündnis gegen Rechts“ hat kürzlich diesen Ort aufgesucht. In diesem Zusammenhang entstand dieser Artikel.

Die „Burg“ ist keine Burg.

Sie ist nur ein Abklatsch früherer Zeiten und – von den Nazis sicher so gewollt – erzeugt Assoziationen an das Mittelalter. Was eigentlich „ehemaliges Nazi-Schulungszentrum“ heißen müsste, wird allgemein „Burg“ genannt und mausert sich zu einem attraktiven Ausflugsziel. Unter diesen Namen der „“Burg“ und in der Funktion eines Ausflugsziels wird das ehemalige Nazi-Schulungszentrum erhalten.

Was ist das Problem?

Die „“Burg“ als identitätsstiftendes Bauwerk: Nazis haben das erkannt und mobilisieren dorthin. Die „Burg“ wird für sie zu einem permanenten Kristallisations- und Treffpunkt. Hier können sie die nächsten Jahre permanent um ein Symbol kämpfen und gleichzeitig austesten, wie weit ihnen Grenzen gesetzt werden.
Die baulichen Proportionen der Anlage sind in sich falsch; schon die Architektur drückt Nazi-Ideologie aus. So trägt bspw. bei einer zu gigantisch dimensionierte Anlage der Bau – selbst ohne jedes Schriftzeichen oder ohne Nazi-Symbole – an sich die schon faschistische Botschaft: Du bist klein – der „Orden“ ist groß .
==> Die Frage lautet: Ist die Befürchtung an diesem Bau berechtigt?

Ideologische Schutzmaßnahmen

Heute machen dort „Naturführer“ mit allen Besuchern Rundführungen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Besucher verstehen, was sie dort eigentlich (an Nazi-Bauwerken) besichtigen.
Es sei unterstellt, dass momentan wirklich eine Aufklärung in/an der Anlage stattfindet. Und das mag auch so bleiben, solange unsere Gesellschaft einigermaßen aufgeklärt bleibt.
Aber was wird sein, wenn dieser „Kontrollmechanismus“ wegfällt? Wird dann die in der Bausubstanz „gefrorene Ideologie“ ganz schnell wieder zur Wirkung kommen?

Polizeiliche Schutzmaßnahmen

Realität ist: Nazis haben die Bedeutung der Burg für sich längst erkannt. Zu deren Abwehr wurden gesetzliche, verwaltungstechnische und polizeiliche Maßnahmen entwickelt: Die Verantwortlichen der Anlage schicken „erkennbare Nazis“ heute vom Gelände. Manchmal kommt auch die (weit entfernt stationierte) Polizei zur Verstärkung.

  • Wie lange wird man die Nazis noch erkennen?
  • Und WIE erkennt man Nazis?
  • Und wann darf man „erkennbare Nazis“ trotzdem nicht wegschicken, weil „erkennbarer Nazi zu sein“ ja noch kein Strafbestand ist, usw. (wir kennen doch unsere Juristen).

Polizeiliche Schutzmaßnahmen benötigen einen permanenten politischen „Druck“ auf den Staat, die polizeiliche Absicherung des Geländes gegen Nazis auch wirklich zu gewährleisten.
Aber wer zahlt hierfür die Kosten? Gerne zugestanden, dass das jetzt klappt – und vielleicht auch noch in acht Jahren. Aber wann kommt der Zeitpunkt wo man sagt, „dieser Aufwand ist zu groß – lass sie (die Nazis) doch“?

Resümee

Vielleicht ist die o.g. Argumentation irrig: dann kann alles so bleiben wie es ist.
Falls die Argumentation aber nicht irrig ist: dann muss das gewaltige Bauwerk ganz weg – oder aber so massiv umgebaut & genutzt werden, dass sein „baulicher Nazi-Charakter“ komplett verschwindet – und damit auch die Attraktion für die Nazis. Diese Vorsorge ist heute notwendig, damit nicht später – wenn sich die Zeiten ändern sollten – mit ein paar kleinen Umbauten die alte Scheiße wieder ganz einfach reaktiviert werden kann.

 

Nach dem Besuch von „Vogelsang“

Erstveröffentlichung Feb 2007, von Walter Schumacher
Anfang Februar 2007 besuchte eine Gruppe Aachener Linker die ehemalige NSdAP-Ordensburg „Vogelsang“, um sich zu den im Vorfeld diskutierten Fragen ein Bild von der Anlage zu machen. Im Artikel vor dem Besuch von Vogelsang war die Kernfrage gewesen,

Was ist das Problem?
Die „Burg“ als identitätsstiftendes Bauwerk: Nazis haben das erkannt und mobilisieren dorthin. Die „Burg“ wird für sie zu einem permanenten Kristallisations- und Treffpunkt. Hier können sie die nächsten Jahre permanent um ein Symbol kämpfen und gleichzeitig austesten, wie weit ihnen Grenzen gesetzt werden.

Die baulichen Proportionen der Anlage sind in sich falsch; schon die Architektur drückt Nazi-Ideologie aus. So trägt bspw. bei einer zu gigantisch dimensionierte Anlage der Bau – selbst ohne jedes Schriftzeichen oder ohne Nazi-Symbole – an sich die schon faschistische Botschaft: Du bist klein – der „Orden“ ist groß (oder so ähnlich).

Die Frage lautet: Ist die Befürchtung an diesem Bau berechtigt?

Eine im Bau „gefrorene Nazi-Ideologie“ ist auch zu besichtigen an den Bauten vom „Parteitagsgelände Nürnberg“, vom „Flughafen Berlin Tempelhof“ und von der „KdF-Ferienanlage an der Ostsee (Rügen).
Eine andere, ebenfalls im Bau „gefrorene Aristokraten-Ideologie“ ist in Wien an den dortigen KuK-Bauten am Ring zu besichtigen.
An diesen vordergründig sehr schönen und ansprechenden Gebäuden kann man deutlich erkennen, wie die Manipulation an Menschen (und an einem selber) psychologisch funktioniert. Und dieses an den KuK-Bauten zu erläutern ist angenehmer, als die Erläuterung der dumpf-gruseligen Nazi-Struktur.
Geht man in Wien auf die genannten Gebäude zu, so wirken diese von weitem wie normale zweigeschössige Häuser. Beim Näherkommen ist zu erkennen, dass sie mindestens so hoch sind wie vier-fünfstöckige Häuser, aber eben nur diese zwei Fensterreihen übereinander haben, dadurch also visuell manipulieren.
Logischerweise haben diese Fenster – wenn man sie aus der Nähe sieht – völlig überdimensionierte Höhen (drei-viermal höher als normale Fenster).
Noch deutlicher wird die Manipulationsmethode bei den Türen. Diese passen zwar sehr gut zu den Proportionen dieser „falschen Häuser“, sind dadurch aber mindestens doppelt oder dreimal so hoch wie normale Haustüren von normalen Wohnhäusern.
In diese Riesentüren (noch mal: die von weiter weg wie „ganz normale“ Türen wirken) sind kleinere Türen unauffällig eingepasst, die dann weitestgehend tatsächlich nur so hoch sind wie normale Türen.
Der Trick: Wenn man durch so eine Rieseneingang durchgeht, aber nur die kleine Türe nutzt, wird man selber „klein“. Die KuK-Herrschaften „gingen“ jedoch nicht durch diese kleinen Türen, vielmehr wurden für sie die großen Türen aufgemacht – weil sie natürlich „hoch zu Pferd“ oder „in der Kutsche“ durch die Türe fuhren.
Die Argumentation läuft darauf hinaus, dass diese Proportionen den „ins Haus kommenden“ beeinflussen: Uns machen sie „klein“ – die Herrschenden „groß“!

Dieses Manipulations-Model gilt analog natürlich auch bei Nazibauten.

Nur ging es dort nicht um das Kleinmachen der plebejischen Massen und das Großmachen der aristokratisch Herrschenden, sondern mehr um die Ideologie einer abstrakten Größe: „Das Nazitum“ als das Grandiose, neben dem alles andere nur ganz klein sein kann. Adolf Hitler nannte dieses Konzept „Wort aus Stein“.
Die These beim Besuch von „Vogelsang“ war, dass diese Analogie dort zu sehen sei.

Aber es war ganz anders

Es gibt zwar einige Elemente problematisch weil ideologisch besetzt sind, Aber ansonsten macht die gesamte Anlage überraschenderweise keinen gigantischen, sondern viel mehr einen relativ vernünftig proportionierten Eindruck1.
Warum?
Die Anlage „Vogelsang“ diente offenbar nicht zur Beeindruckung (also zum Kleinmachen) der normalen Menschen/Leute (für die war der Bau gar nicht geplant). Hier sollten die Führungscliquen der Nazis ausgebildet werden; und die eigenen Leute sollten sich ja eben NICHT als „klein“ ansehen, sondern groß und selbstbewusst als integraler Teil der „Führungselite“ der Nazi-Ideologie. Insofern wäre hier das „Gigantomanische“ möglicherweise sogar aus Nazi-Sicht kontraproduktiv gewesen.

Diese Anlage vermittelt kein Grauen.

Jedenfalls ist die vorhandene Anlage keine „gefrorene Naziideologie“. Anders hätte es ausgesehen, wenn die Nazis ihre Planung eines riesigen Turms oberhalb der „Burg“ hätten realisieren können. Dieser Turmbau war eindeutig geplant, um „Größe“ zu zeigen und jeden Betrachter „ganz klein“ zu machen.
Würde es diesen Turm geben, so müsste man ihn unbedingt und umgehend sprengen – wobei das vermutlich schon gleich bei Kriegsende die alliierten Soldaten freundlicherweise „besorgt“ hätten. Aber es gab und gibt diesen Turm nicht.
Es ist dort also eine Pseudo-Burg und militärische Wohnhäuser zu sehen, die man vernünftig umnutzen oder aber abreißen sollte, weil deren Unterhalt unbezahlbar ist. Sie sind aber ideologisch wenig problematisch.

Nazi-ideologisch besetzte Stellen der Anlage Vogelsang

So massiv wirkt Vogelsang aus wenigen Perspektiven.

Aber es gibt durchaus ideologisch kritische Stellen in der Anlage:

  • da ist die „“Weihehalle“, die aber durch die Zerstörung des eigentlich dazugehörigen Hörsaals so „dysfunktional – entzaubert“ ist, dass sie tatsächlich mehr aufklärt als das sie schaden kann. Sie sollte deshalb nicht abgerissen werden. Selbst das im Boden eingelassene Hakenkreuz erlaubt keine Gefühle von Größe oder Nazi-Stolz.
  • da ist das Schwimmbad, wo auf jeden Fall die Wandfiguren abgerissen – und ggf. in eine kontrollierte Ausstellung überführt – werden müssen. Ob man Schwimmbad und Turnhalle erhalten soll, ist dann keine Denkmalfrage, sondern nur noch eine rein ökonomische Frage, die vermutlich zum Ergebnis des Abrisses führt. Eine normale Nutzung erscheint völlig unökonomisch.
  • der pseudo-mittelalterliche Speisesaal und das Kaminzimmer:

Beide haben keinerlei aufklärerischen Wert, sie können auch keiner Nutzung zugeführt werden, die das „pseudomittelalterliche“ auffängt. Beide bieten eine ganz große Gefahr der Verherrlichung eines Ortes, an dem „Hitler mal persönlich“ körperlich anwesend war.
Neo-Nazis müssen und werden solche Orte lieben und verehren!
Deshalb müssen beide Stellen unbedingt abgerissen werden. Ggf. kann dann eine NEUE funktionale Kantine/Restaurant dorthin gebaut werden, falls wirklich der Bedarf besteht.

Und es gibt den wirklich brisanten „Sonnenwende-Platz“ („Fackelträger“):

Dieser stimuliert mit absoluter Sicherheit alle „Nazi-Gefühle“. Durch die mittlerweile umstehenden Bäume ist die symbolische Wirkung zwar momentan etwas „gebrochen“ (befragte Teilnehmer unserer Gruppe konnten dort nichts „nachempfinden“) aber für Leute mit einem gewissen Hang zu Symbolik und/oder zur Nazi-Nähe wird das ganz sicher dauerhaft ein „Kult-Ort“ werden.
Hier werden sich immer wieder Nazis treffen – auf diesen Punkt werden sie immer wieder orientieren.
Deshalb muss GENAU dort eine Restauration mit Aussichtsterrasse oder ein permanent bewohntes Haus/Hotel hingebaut werden – um diese Stelle durch etwas „Ziviles“ zu beleben, damit keinerlei Platz (wörtlich!) für irgendeine Mystik bleibt!
Es gibt die Thingstätte, die eine analog brisante symbolische Wirkung wie der Sonnenwende-Platz hat. Somit bedarf es hier des gleichen Procedere.
Diese als „kritisch“ eingestuften Stellen müssen dauerhaft der Nazi-Ideologie weggenommen werden, damit die ganze Anlage irgendwie „zivilisiert“ wird.

Als Nachwort: das 50er-Jahre Kino

Ein skurriler Nebenaspekt von „Vogelsang“ ist das fast surreale 50er Jahre-Kino der Belgier auf dem Gelände. Es ist bzgl. Größe und Ausstattung ein beeindruckender Bau, der mich wie in einer Zeitreise in meine Kindheit zurückkatapultiert hat – ich bin sehr froh, diesen Saal gesehen zu haben.
Aber was man draus machen sollte? Keine Ahnung.
Egal was man machen könnte – es wäre sehr teuer und sicher niemals durch irgendwelche Besucherströme ökonomisch zu rechtfertigen; aber das Kino ist nicht Themas dieses Artikels.
Im Sinne von einer möglichen Nazi-Problematik ist dieser Teil von „Vogelsang“ ganz sicher das allerkleinste Problem.

 

Anmerkungen:
1 Vielleicht ist auch die gestaffelte Struktur der Gesamtanlage problematisch: unten die Sportanlagen, dann die Schlafhäuser, darüber der Adlerhof. Darüber war dann noch etwas Gigantisches geplant: ein Riesenturmbau, den man sogar aus Köln hätte sehen können. Aber dieser Turm wurde nicht gebaut, es gibt ihn nicht.

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