Bericht von ‚Ende Gelände‘

16. August 2015 | Veröffentlicht von , Keine Kommentare

Auf geht’s – ab geht’s – Ende Gelände

DSCF7465Mit diesem aufmunternden Slogan zogen die Demonstranten am Klima-Camp los, diesen Slogan nutzen sie immer wieder um Stimmung zu machen auf dem Weg zur Störung und Behinderung der Bagger und Verladeanlagen im Braukohle-Tagebau. Aus ganz Deutschland und auch anderen europäischen Ländern waren Klimaaktivisten zusammengekommen.
Zum politischen Hintergrund der Aktion siehe die links am Artikelende. Für tolle Fotos hier klicken.

legal? illegal? – legitim!

Allen AktivistInnen ist klar, dass sie sich im juristischen Sinn „illegal“ verhalten, sobald sie das RWE-Gelände betreten und irgendwo im Tagebaugebiet geschnappt werden. Aber hatten den politischen Verstand, bewusst DIESE Übertretung zu machen. Einhellig war die Überzeugung, dass eine Gerichtsbarkeit, die die Handlungen und Zerstörungen durch RWE als „legal“, den Widerstand dagegen aber als „illegal“ strafbewehrt, kein legitimes Recht darstellt. Und deshalb gab es ein breites solidarisches Gefühl, diesen Kampf gegen RWE gemeinsam und entschlossen zu machen.

Morgens Punkt 7

Um Punkt 7:00 startete am Samstagmorgen am Klimacamp der langer Treck von über 1.400 DSCF7413DemonstrantInnen, viele weiß gekleidet, mit Rucksäcken und Strohkissen ausgerüstet und alle entschlossen, zumindest an diesem Tag den Braunkohleabbau zu ver-, mindestens aber zu behindern. Aus Aachen waren auch einige Aktivisten gekommen, aber es waren keine kompletten Aachener Gruppen gesichtet. Alle Aktionen wurden von AktivistInnen mit eigenen Megaphonen begleitet. Wegen der internationalen Zusammensetzung waren fast alle Durchsagen auf Deutsch und auf Englisch.

Aufteilung in Finger

DSCF7417Aufgeteilt war der Zug in „Finger“ wie … gelb grün,blau, … . Und in jedem Finger gab es Bezugsgruppen mit Phantasienamen wie Plastikdose, Einhorn, usw. . Hierdurch gab es eine klare und einfache Struktur.

Autobahnüberquerung

Um vom Camp den Tagebau zu erreichen, musste eine vielbefahrene Autobahn überquert werden. An mehreren Stellen gab es Versuche,über Brücke, Unterführungen oder gar Wasserkanäle die andere Seite zu erreichen. Der grüne Finger kam direkt rüber. Der gelbe Finger wäre fast an einer BAB-Brücke von der Polizei aufgehalten worden – hätte nicht zufällig eine Polizistin ihrem Chef Pfefferspray ins Gesicht gespritzt und dadurch auf Polizeiseite zu viel Verwirrung und wohl auch Streit hervorgerufen hat. Und so gelang dort der Durchbruch.
Finger-blau blieb für über eine Stunde auf der einen BAB-Seite „hängen“. Erst als sich ca. 1 km entfernt Kletterer an einer Autobahnwegweiserbrücke angekettet hatten führte deren „Befreiung“ durch die Polizei zu einer BAB-Vollsperrung – und ermöglichte dann auch dem blauen Finger die BAB-Überquerung. Es ging dann weiter über Stock und Stein auf der Ebene zum gigantischen Tagebau-Loch.

Einstieg in das Tagebauloch

DSCF7429 An der Abbruchkante zum Tagebauloch erreichte Finger-gelb eine Stelle, wo der Abstieg ganz breit gefächert erfolgen konnte und dadurch die Polizei nur ganz wenige Leute festhalten konnte – und somit auch hier ein erfolgreicher Abstieg auf die Sohle gelang.
DSCF7432Finger-blau erreichte die Kante kurz vor einem heran rennenden Polizeihaufen. Gemeinsam stolperten die ungleichen Fraktionen einen schmalen Schräghangbereich die 150 Meter herunter. Der Polizei gelang dadurch keine geordnete Aktion mehr. Obwohl DSCF7428mehrere Beamte ihre Pfefferspraydosen und einige wenige ihren Schlagstock nutzen, verhinderte auch das den massenhaften Durchbruch nicht.

Behinderung des Kohleabbaus

Bagger-im Gelände-flickerUnten auf Sohle 1 rannten dann alle Beteiligten (Demonstranten und Polizisten) in mehr oder minder geordneten Haufen in Richtung eines der riesigen Schaufelbagger. Die Hälfte von Finger -gelb schaffte es und unterbrach den dortigen Betrieb.

DSCF7441

Die nachsetzende Polizei kesselte unter erheblicher und sehr militanter Unterstützung des RWE-Werks“schutzes“ diese Gruppe ein. Hierbei kamen auch ein Dutzend schwerer weißer Geländewagen zum Einsatz, die den wunderschön zynischen RWE-Werbespruch trugen „voRWEgehen“. DSCF7467Das Vorgehen hatte optisch den Touch eines ‚Round-up‘ aus billigen US-Actionfilmen.
Die andere Hälfte von Finger-gelb und das, was von Finger-blau auf der Sohle durchgekommen war, wurde in einem etwas entfernten Kessel ebenfalls eingekesselt.

Ruhige Phase

DSCF7466Der Kessel wurde von Dutzenden Fahrzeugen von RWE und von den Polizisten gebildet. Aber weil alles stillstand, beruhigte sich die Situation. Es gab eine längere Phase von Reden im Kessel’Assemblada‘ DSCF7444genannt. Es ging um die Gründe warum Braunkohle die CO2-Bilanz kaputt macht, es ging auch um den Import von Steinkohle aus anderen Ländern, in denen üble Arbeitsbedingungen herrschen, es ging um die Gemeinsamkeit des Kampfes gegen AKWs und gegen die Braunkohle.

Selbstgebautes Klo auf der platten Braunkohle-Sohle

CAM00154Aufgrund der normalen menschlichen Bedürfnisse wurde aus Plastikplanen und menschlichen „Wandträgern“ eine spezielle Toilette aufgebaut, die nach der langen Anmarschphase und dem Warten dringend gebraucht und genutzt wurde.

Gefangenen-Transporter

CAM00156Nach etwa 1 ½ stündigem Warten fuhr die Polizei ihre Gefangenentransporter heran. Sie rief dazu auf, sich „freiwillig“erkennungsdienstlich behandeln zu lassen, um danach aus dem Kessel und aus dem Tagebau herausgebracht zu werden.
Über dieses „Angebot“ gab es lange Beratungen. Es gab zwei Fraktionen: die einen sagten, dass politisch alles gewonnen sei und man nicht auch den Preis eines weiteren militanten Widerstands zahlen wolle. Die andere wollte genau diesen Widerstand aus prinzipiellen Gründen fortsetzten.
Im Ergebnis gab es eine Entscheidung mit den Füssen. Auch unser Berichterstatter verließ den Kessel freiwillig und kann nicht berichten, ob es danach noch zu weiteren Kontroversen bzw. brutaleren polizeilichen Maßnahmen gekommen ist.

Das „Recht“ der (noch) Stärkeren

Die „freiwillige“ Gefangennahme hatte die Staatsgewalt mit drei Bedingungen verknüpft:

  • Erkennungsdienstliche Behandlung (wobei fraglich ist, ob das [illegalerweise!] jemals wieder gelöscht wird)
  • Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft
  • Platzverbot für 14 Tage unter Androhung von 250€ Strafgeld bei Zuwiderhandlung

Im Endergebnis gibt es über 800 Strafanzeigen. die kraz wird sicher hierzu in den nächsten Wochen weiter berichten (müssen).

Unterquerung eines gigantischen Sammelpunktes von x-Förderbändern

DSCF7480Die geschürfte Braunkohle wird über Förderbänder weg transportiert. In einer Stelle der Grube kommen diese an einem Sammelpunkt an. Dort war dann der Erfolg der Aktion sichtbar: an den sieben oder acht Bändern der westlichen Grubenseite lief nichts mehr. Die Kohleförderung war offensichtlich unterbrochen.

Heimweg zum Camp

Wie leider öfter üblich, wollte die Polizei zum Schluss die Demonstranten wohl auch abstrafen: sie setzte die Leute nicht am Ausgang des Geländes aus, sondern brachte die Festgenommenen weiter weg, sodass sich der Rückweg zum Camp um 3 km verlängerte.
Ob des offensichtlichen Erfolgs der Aktion tat das der Stimmung der Rückkehrer aber keinerlei Abbruch. Und nach der Rückkehr im Camp wurde geduscht, ausgeruht – und schon mal gefeiert. Die Medienresonanz war jedenfalls vorzüglich.

Zum politischen Hintergrund der Klima-Aktion hier klicken

zwei weitere Links zum inhaltlichen Thema

Und hier noch weitere Zahlen und Fakten über Kohle von Robin Wood: Vier neu erschienene Hintergrundpapiere bieten umfangreiches Wissen über den Status Quo der Kohlekraft in der Bundesrepublik
– Kohle und Klimawandel
– Kohle und Versorgungssicherheit
– Kohle und Tagebaue
– Kohle und die großen Energiekonzerne

Und hier noch ein link zu einem Video-Filmer, der längere Zeit den blauen-Finger begleitet hat.

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