„Aufrüstung für den Frieden?“

3. September 2023 | Veröffentlicht von , Keine Kommentare

Ein IMI-Vortrag bei der VHS

Jürgen Wagner, Geschäftsführer der Informationsstelle Militarisierung (IMI), ist ein exzellenter Kenner bei deutschen militärischen Aspekten und deren ökonomischer Konsequenzen für den Bundeshaushalt.
Er stellte am Mittwoch seine Thesen über den Rüstungswahn der „Zeitenwende“ in seinem Vortrag bei der VHS zur Diskussion. Sein Buch mit den Informationen sei hiermit empfohlen [1].
Die kraz hatte einen Besuch des Vortrags empfohlen, weil die IMI dafür bekannt ist, prinzipiell jede deutsche Kriegsteilnahme abzulehnen. Trotzdem waren nur ca. 25 ZuhörerInnen erscheinen.

Während des Vortrags und der anschließenden Diskussion wurden jedoch einige inhaltliche Probleme sichtbar, die wir in diesem Bericht darlegen.

Den Ukrainekrieg bei der Diskussion ausklammern

Das begann damit, dass Wagner eine Diskussion über den ‚Krieg in der Ukraine‘ explizit ausklammern und ihn nicht als Thema dieses Abends behandeln wollte. Damit konnte natürlich ein ganz wichtiger Aspekt nicht besprochen werden, der hätte begründen können,
– ob die offensichtliche Aufrüstung in Deutschland ’nur eine Reaktion‘ auf den Ukraine-Krieg ist oder
– ob umgekehrt ‚der Willen zur Aufrüstung‘ seitens des Westens gerade Russland dazu getrieben/gezwungen hat, in die Ukraine einzumarschieren.

Hochwertige Informationen zu deutschen Militarisierung

Nach dieser Einschränkung gab es dann aber ein Feuerwerk hochwertiger Informationen.
Wagner beschrieb vorzüglich, wie sich die deutsche Militärpolitik in vier Stufen seit 1989 entwickelt hat
– 1990 Umbau zur Interventionsarmee
– 2009ff (vorübergehende) Kultur der militärischen Zurückhaltung
– 2014ff Großmacht durch Militarisierung
– 2022ff Zeitenwende Aufrüstung
Und legte er dar, wie mit der von der Bundesregierung 2022 proklamierten ‚Zeitenwende‘ die schon seit längerem betriebene Remilitarisierung deutscher Außenpolitik einen weiteren kräftigen Schub erhalten hat. Rüstungsindustrielle erfahren publizistische Wertschätzung, der Waffenexport in Kriegsgebiete gilt nicht länger als illegitim und die Bundeswehr kann sich über ein „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro freuen.

Der implizite Zwang zu hohen Rüstungsausgaben in der Zukunft

Wagner zeigte auf, wie dieses „Sondervermögen“ einerseits nur ein anderes Wort für ‚Verschuldung‘ ist und andererseits diese Hintertüre ein Super-Trick ist, um mittels einer VERPFLICHTUNG zu enormen Ausweitung der Militärausgaben auch in der Zukunft zu führen. Dabei verwies er ausdrücklich darauf, dass diese Ausgaben-Zwang in ganz großem Maß an die NATO-Verpflichtungen gekoppelt ist, die dann fast wie eine ‚gesetzliche Zwanghaftigkeit‘ für die BRD wirkt!
Als in der anschließenden Diskussion darauf verwiesen würde, dass ein Staat solchen Verpflichtung doch ganz einfach durch einen NATO-Austritt beenden könnte, wurde Wagner plötzlich sehr defensiv und wollte sich auf diese Diskussion nicht einlassen [2]

Politische Strategie?

So informativ der Vortrag bei den Fakten und Zahlen war – es fehlte eigentlich die politische Perspektive, wie sich eine Antikriegsbewegung dieser Entwicklung entgegen stellen kann. Wagners Hinweis auf das Offensichtliche, nämlich dass die Erhöhung der Rüstungskosten natürlich enorme Kürzungen in den Sozialleistungen erzeugt und dass damit auch die Gelder fehlen werden, die die sozial-ökologischen Krisen lösen können, ist zwar richtig, sind aber nur ein fast peinlicher Widerhall von 40 Jahren „Klagelieder und Jammern“….
Ja, die Rüstungsausgaben schaden der normalen Bevölkerung.
Ja, Rüstungspolitik ist im Interesse der Herrschenden.
Aber diese Klagelieder haben in den letzten 40 Jahren kaum politischen Widerstand hervorgerufen.

Hierzu kommentiert die kraz:
Wäre da nicht endlich eine Diskussion über die deutlich „massentauglichere Forderung

„Deutschland neutral machen“
oder ‚Deutschland raus aus der NATO‘

sinnvoll? Aber leider wurde dies von Jürgen Wagner zurückgewiesen.
Ohne eine solche politische Perspektive wird die reine Nennung der Fakten zur Erbsenzählerei ohne Perspektive – und macht leider den ganzen Vortrag letztlich unpolitisch!

Trotz aller Kritik: Es war ein interessanter Abend und hoffentlich gibt es demnächst doch mal die Chance, mit der IMI die politische Forderung „BRD raus aus der NATO“ zu diskutieren!?!

Schlussbemerkung

Nach den vielen schlechten politische Erfahrungen (siehe hierzu bspw.) mit dem Veranstalter ‚Demokratie leben!‘ in Aachen hier noch eine weitere kritische Anmerkung:
Die Veranstaltung wurde gefördert durch ‚Demokratie leben!‘ an der vhs Aachen – wir glauben nicht, dass diese Veranstaltung auch dann gefördert worden wäre, wenn eine klare politische Forderungen zum Austritt aus der NATO seitens der IMI sichtbar wären!

Anmerkungen

[1] Im Rüstungswahn

[2] Fast zynisch wirkte dabei ein Argument von Wagner: „Wenn man es in der BRD politische soweit käme, einen NATO-Austritt erfolgreich zu erreichen, dann fände er [Wagner] es sinnvoller, statt solch eines NATO-Austritts besser nur bei allen NATO-Entscheidungen diese durch Vetos auszuhebeln ..

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