Arbeits-UN-Recht durch TTI

1. Februar 2015 | Veröffentlicht von Walter Schumacher / hr, Keine Kommentare

Aktion gegen TTIP bei der Europäischen Kommission in Brüssel

DSCF0476Am 29. Januar fuhren knapp 40 Unterstützerinnen der Organisation „arbeitsunrecht“ nach Brüssel, um dort der EU-Kommission ihre Ablehnung von TTIP (1) wegen der Gefährdung derzeit bestehender Arbeitsbedingungen und Rechte von ArbeitnehmerInnen zu erläutern und eine Mappe mit etwa 5000 Unterschriften zu überreichen. Zu der Gruppe gehörten elf aus Aachen, die anderen kamen aus Köln, Düsseldorf und Umgebung.
Es gibt viele gute Gründe, TTIP abzulehnen. Bei dieser Aktion ging es ausschließlich um den Aspekt „Arbeits(un)recht durch TTIP“. (weitere Bilder hier)

Warum ein Besuch der Kommission?

Die EU-Handelskommissarin ist DIE (einzige) Ansprechpartnerin für EU-Bürger, da die Verhandlungen zu TTIP ansonsten geheim und hinter verschlossenen Türen stattfinden. Diese Kommission ist auch ein Ansatzpunkt, um die verantwortlich Handelnden persönlich zu erreichen Deshalb übergaben die Vertreter von „arbeitsunrecht“ die Unterschriftenmappe der EU-Kommission und nutzten die Gelegenheit, um in einem relativ persönlichen Gespräch ihre Kritikpunkte zu erläutern.

Das Gespräch

DSCF0479Die arbeits(un)recht-Gruppe wurde in Brüssel von Maria Åsenius, der Kabinettschefin der Handelskommissarin Cecilia Malmström, zu einem knapp 1½-stündigen Meinungsaustausch empfangen. Wie sich bei dem Gespräch herausstellte: ein seltenes Ereignis, dass sich jemand aus diesen „Funktionärsebenen“ so viel Zeit für „normale“ Leute nimmt, die keine Partei und keine Lobby vertreten! Normalerweise treffen KommissionsmitgliederInnen ausschließlich ihresgleichen, also Personen aus Politik bzw. Lobbyverbänden. Das meinte zumindest Sven Giegold (MdE der GRÜNEN), der die Gruppe bei der Besprechung begleitet hatte.

Warum TTIP ablehnen?

TTIP abzulehnen begründete die Besuchergruppe damit, dass die Rechte der Arbeitnehmer (Schutz/ Urlaub/ Arbeitszeiten/ …) in den betroffenen Ländern derzeit sehr unterschiedlich seien und die „freie“ Konkurrenz immer in Richtung der schlechtesten Arbeitsbedingungen – natürlich nur aus Sicht der Arbeitenden – führen würde. Aus dem gleichen Grund würden durch TTIP auch die Löhne immer in Richtung der niedrigsten Löhne gedrückt. Wenn zwei Länder mit etwa gleichen Produktivitätsstandards unterschiedliche Lohnniveaus haben, werden die Stückkosten sich genau durch diese Lohnkostenanteile unterscheiden – und das würde letztlich über die „freien“ Marktregeln von TTIP zu einer Angleichung der Löhne nach UNTEN führen. Sven Giegold unterstützte diese Argumentation der Gruppe. Die Nützlichkeit von TTIP, beispielsweise für die deutsche Bevölkerung, stellte er sehr deutlich in Abrede.
Erwartungsgemäß widersprach die Kabinettschefin Åsenius diesen Argumenten. Sie glaube nicht an dieses Lohndumping, sondern an eine win-win-Situation aller. Der daraufhin massive Widerspruch im Besprechungsraum führte zu einer deutlichen Verunsicherung der Kabinettschefin.

Traurig: TTIP und die deutsche Gewerkschaften

Der Journalist Werner Rügemer als Mitorganisator der Fahrt hat wichtige Veröffentlichungen zum Thema gemacht (2), (3). In Nebengesprächen berichtete er über seine Bemühungen, innerhalb der Gewerkschaftsbewegung ein Bewusstsein für die Auswirkungen von TTIP auf die Arbeitsrechte zu wecken. Erfolgreich war er bundesweit in den Ver.di-Basis-Gliederungen (4). Für ihn ist aber offensichtlich, dass die Bindung der Gewerkschaftsführung an den derzeitigen Koalitionspartner SPD dazu führt, dass Widerstand gegen TTIP „von oben“ weitestgehend behindert wird. Deshalb sieht er als einzige Möglichkeit, dass der Widerstand von der Basis ausgehen muss. Für entsprechende Veranstaltungen steht er zur Verfügung. (5)

Strukturelle Gewalt

So erfreulich letztlich der Austausch der (gegensätzlichen) Standpunkte mit Åsenius war, so unerfreulich war der „Empfang“ der Gruppe DSCF0473vor den Türen des EU-Kommissionsgebäudes.
Kaum hatte sich die Gruppe dem Eingang genähert – sie war als Politgruppe gut erkennbar durch eine marginale Verkleidung als Freibeuter“ (Plasik“säbel“, Piratenhut, umgehängte DIN-A3Plakate; siehe Bilder) – wurde von innerhalb des Gebäudes alle (massive Stahl-)Türen geschlossen. Dickes, verdunkeltes Sicherheitsglas machte die „Wächter“ schemenhaft sichtbar – aber es gab KEINE Möglichkeit miteinander zu sprechen. DSCF0477Diese Situation weckte beim Berichterstatter starke Assoziationen an Geschichten aus dem Mittelalter, wo hochgezogene Fallbrücken und dicke Mauern die „Herren“ vom „normalen Volk“ abschotten sollten. DAS als Eingang des Kommissionsgebäudes einer demokratischen europäischen Institution? Man könnte es kaum schlechter (oder besser gesagt „klarer“) machen.

weitere Artikel hier (von arbeitsunrecht)  

 

(1) TTIP = Transatlantic Trade and Investment Partnership
(2) „Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung“. Werner Rügemer und Elmar Wigand, Papyrossa-Verlag, Köln 2014, 238 Seiten, 14,90 Euro
(3) Video: TTIP und Gefahren für Arbeitnehmerrechte (http://arbeitsunrecht.de/ruegemer-ttip-und-gefahren-fuer-arbeitnehmerrechte/)
(4) Artikel in der Ver.di-Zeitung Publik: http://publik.verdi.de/2014/ausgabe-08/gesellschaft/meinung/seite-15/A2
(5) http://www.werner-ruegemer.de/kontakt

 

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