‚Antisemitismusvorwurf‘ gegen Corona-Maßnahmenskeptiker

28. Juni 2021 | Veröffentlicht von Peter Blaszyk, Keine Kommentare

bei Vortrag in der KHG

Aachener Nachrichten vom 14.6.21

Am 17.06.21 veranstaltete die Katholische Fachhochschule Aachen einen Onlinevortrag mit dem Antisemitismusbeauftragten der Stadt Berlin. Das interessante Thema war der Antisemitismusvorwurf gegenüber Teilen der Corona-Maßnahmenskeptiker.

Die kraz hatte diese Veranstaltung umfänglich und inkl. eines Kommentar von Peter Blaszyk angekündigt [1][2]. Dieser hat auch an der Veranstaltung teilgenommen. Hier sein Bericht …

Im Vorfeld hatten die Aachener Nachrichten in einer 1/4-seitigen (!) Ankündigung zur Veranstaltung mit „steilen“ Thesen Neugierde geweckt. Zum Beispiel: „Faktisch laufen Verschwörungserzählungen so gut wie immer auf Antisemitismus hinaus„. Dass die Coronamaßnahmenskeptiker aber auch „mehr oder minder bewußt“ und „in Teilen verschlüsselt“ antisemitische Einstellungen hegen sollen, überraschte in der fehlenden Konkretisierung im Ankündigungsartikel der AN dann doch.

Der Vortrag

Prof. Salzborn begann seinen Vortrag interessant und fundiert. Seine grundsätzlichen Ausführungen zu Verschwörungstheorien (VT) waren schlüssig – wenn auch zum Großteil bekannt.
Das Muster von VT wurde aufgezeigt (in Stichworten): Ereignis, Reaktion, Unverständnis, Überforderung, Projektion auf VT, abgeschlossene Welt, Allwissenheitsglaube, Selbstüberhöhung.

Dir eigentliche Unterstellung …

Nach diesem Teil des Vortrages kam der Referent nach 30 Minuten auf sein angekündigtes Thema zu sprechen: den Antisemitismus in der Maßnahmenskeptiker-/Grundrechteszene.
In nur ca. 5 Minuten Vortrag versuchte Professor Salzborn den „Hammelsprung“ von antisemitischen Verschwörungstheoretikern zu Coronamaßnahmenskeptikern. Die Hoffnung, dass die Ankündigungsformulierungen in den AN nur ein unprofessioneller Fehltritt seien, erwies sich weitgehend als falsch.
Nicht nur die kurze Vortragszeit mit Bezug zu den Coronademos zeigt das dünne Eis, auf dem sich die Thesen von Professor Salzborn befinden. Vermutlicht nicht ohne Grund hatte Prof. Salzborn den Vortrag ohne Power-Point-Bilder/Statistiken aufgelegt. Es fehlte also jegliche statistische/wissenschaftliche Grundlage für seine Thesen.

Der begleitende Chat

Sehr treffend war der Chat eines Teilnehmers ‚David B-‚ (hatte sich nicht mit Zunamen kenntlich gemacht); Auszug:
von David B. an alle: 4:33 PM
Sie haben jetzt lange Zeit über Verschwörungstheorien gesprochen, das mag alles gut und richtig sein. Dies pauschal auf Kritiker der Regierungsmaßnahmen zu beziehen ist geradezu infam…. Dass … Menschen die massiven Grundrechteeinschränkungen kritisieren und massenhaft demonstrieren und sich äussern ist ..sachgerecht. Ich kennen solche Veranstaltungen und auch Gegenveranstaltungen aus erster Nähe vor Ort. Da gab es nicht den Hauch von Antisemitismus. Das aber ist die Hauptthese von Herrn Salzborn. Sein Vortrag scheint einzig darauf abzuzielen, Meinungen die von der offiziellen Regierungslinie abweichen, massivst zu diffamieren, zu diskreditieren und in eine anrüchige antisemitische Ecke zu stellen….
Interessant war auch der Chat eines anderen Teilnehmers:
(Markus Baum). Der stellte fest, dass auch auf den Demos in Aachen selbst (Zitat) „massiver Antisemitismus“ zu beobachten ist. Es würden „antisemitische Songs auf der Veranstaltung“ gepostet. Er selbst war allerdings noch nie auf einer Grundrechte-Demo. Er verwies hier auf Informationen eines Aachener Journalisten, der mehr Kenntnis von der Situation in Aachen habe.

Bewertung dieser Methodik

Die Methodik, herrschaftskritische Meinungsträger mit Vorwürfen zu überziehen, sowie falsche Behauptungen zu inszenieren und damit die angestrebte Spaltung zu fördern, ist so alt wie das Herrschaftsdenken selber (divide et impera).
Dabei ist der ‚Antisemitismusvorwurf‘ immer wieder DAS Mittel der Wahl. Und der verfängt bei der Zielgruppe.
Professor Salzborn bekundet im Vortrag Verständnis für zu Beginn der Maßnahmen (Zitate) beteiligten „besorgte Bürger“ an Grundrechte-Demos. Allerdings sieht er von „Woche zu Woche extremere VT„, die „zunehmend immer mehr antisemitisch geprägt sind“. Auch hier versucht der Vortragende offensichtlich, seiner Aufgabe gerecht zu werden. Das transportierte Bild/die Diktion:
Rechte und Linke antisemitische Gruppen bilden aktuell den Kern der zu untersuchenden Demos.
Leider gilt, dass diese Strategie immer wieder verfängt – und das lässt für die Zukunft nichts Gutes erwarten.

Dieser Hebel wird immer wieder angesetzt werden.

Weil es so einfach ist…
Und weil die Protagonisten – ob Professor oder Journalist; ob Gehalt oder Zeilenhonorar – offensichtlich auch einen persönlichen Vorteil aus der Methodik ziehen können….
Was tun?

— Anmerkungen —

[1] Einladungstext aus den AN vom 14.6.21
„Es geht nicht nur darum, dass Corona verharmlost oder gar geleugnet wird, wenn sich bei Demonstrationen gegen die Einschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie Protestierende „Judensterne“ anheften oder die Maßnahmen mit dem Nationalsozialismus gleichsetzen. Solche Demonstranten „relativieren damit zugleich die Shoah und verharmlosen den Nationalsozialismus“, lautet die Einschätzung des Zentrums für Antisemitismus- und Rassismusforschung (CARS) der Katholischen Hochschule in Aachen.
„Darin artikuliert sich ein tief verankertes Bedürfnis der Schuldabwehr und der Täter-Opfer-Umkehr“, stellen die CARS-Experten fest und erkennen darin „auch manifesten Antisemitismus“.
Bei „Hygienedemonstrationen“ artikulierten sich „Verschwörungsmythen, die in ihrer Struktur antisemitisch“ sind.
  • Entspringen die bei Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen artikulierten Verschwörungsmythen einer bewussten antisemitischen Haltung, oder geschieht so etwas eher aus Gedankenlosigkeit beziehungsweise Unkenntnis der Geschichte?
  • Verfolgen diejenigen, die sich bei diesen Protesten gewollt oder ungewollt als Antisemiten zu erkennen geben, ein bestimmtes politisches Ziel?
Um „Antisemitismus und Verschwörungsdenken im Kontext der Corona-Pandemie“ auf den Grund zu gehen, lädt das CARS am kommenden Donnerstag, 17. Juni, um 16 Uhr zu einer digitalen Veranstaltung ein mit dem Gießener Politikwissenschaftler und Antisemitismusbeauftragten des Berliner Senats, Samuel Salzborn.
  • „Die Versammlungen waren von Beginn an im Frühjahr 2020 getragen von einer verschwörungsideologischen Klammer. Verschwörungsglauben ist in seiner historischen Genese und weltanschaulichen Struktur eng mit Antisemitismus verbunden“, sagt Salzborn unserer Zeitung.
  • „Faktisch laufen Verschwörungserzählungen so gut wie immer auf Antisemitismus hinaus.“
  • Der Verschwörungsglaube sei kontinuierlich das integrierende Element der Corona-Demonstrationen. Antisemitische Parolen und Visualisierungen habe es von Anfang an gegeben.
  • „Der offene, in keiner Weise kaschierte Antisemitismus, in dessen Zentrum eine geschichtsrevisionistische Relativierung,Verharmlosung oder Leugnung der Shoah steht“, sei aber, so Salzborn, „von immer größerer Relevanz, sowohl was Verbreitung wie auch Radikalität angeht“.
  • Salzborn sieht einen kausalen Zusammenhang: Je offener Antisemitismus artikuliert und nicht sanktioniert werde, desto stärker seien auch Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeit, desto mehr werde die Shoah relativiert oder geleugnet.
  • „Die offene Instrumentalisierung von Opfern des Nationalsozialismus ist dabei ein wesentlicher Ausdruck dieses geschichtsrevisionistischen Antisemitismus.“

In Aachen kommen die CARS-Experten zu ähnlichen Forschungsergebnissen, wonach

  • „sicherlich auch ein Teil“ der bei den Demonstrationen „artikulierten Einstellungen mehr oder minder bewusst antisemitisch ist“ – wenn auch in Teilen verschlüsselt.
  • Die Protestgruppe sei zwar keinesfalls homogen, es sei aber zu beachten, dass„der kleinste gemeinsame Nenner der Demonstrierenden ihr geteilter bewusster wie unbewusster Antisemitismus zu sein scheint“.

[2]  Dazu hier die Kritik von Peter Blaszyk —

Das Zentrum für Antisemitismus- und Rassismusforschung (CARS) der Katholischen Hochschule, Aachen, veranstaltet ein Seminar mit dem Titel „Antisemitismus und Verschwörungsdenken im Kontext der Corona-Pandemie“.
Ein sicherlich relevantes und interessantes Thema.
Einleitend geht der Redakteur in der Ankündigung in den Aachener Nachrichten v. 14.06.2021 auf die Vorgänge auf Demonstrationen ein. Richtig wird hier das Tragen von Judensternen und der Vergleich der Coronamaßnahmen mit dem Nationalsozialismus als verharmlosend bezeichnet. Wo immer dies vorgekommen ist, ist dies absolut inakzeptabel und als vollkommen deplaziert zu bezeichnen. Die Erkenntnis das die offene Instrumentalisierung von Opfern des Nationalsozialismus Ausdruck dieses (eines) geschichtsrevisionistischen Antisemitismus ist, bleibt zu hinterfragen. Im Zusammenhang mit Coronademonstrationen ist hier vielleicht kein Geschichtsrevisionismus, sondern nicht entschuldbare Unkenntnis und pure Verzweiflung grundlegend. Diese Form des Darstellung bleibt selbstverständlich trotz aller Betroffenheit deutlichst abzulehnen.
Im Rahmen der Ankündigung wird jedoch dann der Versuch unternommen, die Feststellungen des Antisemitismusbeauftragten zu generalisieren. Nach zuzustimmenden einleitenden Feststellungen werden mit Äußerungen wie:
    • Bei „Hygienedemonstrationen“ artikulierten sich „Verschwörungsmythen, die in ihrer Struktur antisemitisch“ sind
    • Verschwörungsglauben ist in seiner historischen Genese und weltanschaulichen Struktur eng mit dem Antisemitismus verbunden
    • Faktisch laufen Verschwörungserzählungen so gut wie immer auf Antisemitismus hinaus
    • es ist zu beobachten, dass der kleinste gemeinsame Nenner der Demonstrierenden ihr geteilter bewußter wie unbewusster Antisemitismus zu sein scheint
Die unverbindlichen Formulierungen in der Ankündigung machen die Diktion nicht harmloser. Die Formulierungen
    • gewollt oder ungewollt
    • faktisch
    • so gut wie immer
    • sicherlich auch ein Teil
    • mehr oder minder
    • wenn auch in Teilen verschlüsselt
    • bewusst wie unterbewusst
    • zu sein scheint
machen Alles möglich.
Tendenzleser werden „bewusst oder unterbewusst“ in eine Sichtweise gelenkt:
Wer die Mainstream-Meinung hinterfragt = Verschwörungsgläubig = Antisemit.
Welche Gefahr durch solche Stigmatisierungsübungen für die Demokratie entstehen kann, kann sich jeder kritische Leser ausmalen. Sicherlich kann der Redakteur in vier Teilspalten die Problematik nicht wissenschaftlich korrekt abhandeln. Aber merke: gut gemeint ist nicht gut gemacht!
Ich hoffe, dass die Qualität der Veranstaltung sich deutlich vom Text der Ankündigung abhebt.
Peter Blaszyk

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