Berta Kals ist tot

26. Januar 2016 | Veröffentlicht von Andrea Genten & Gerhard Diefenbach / ws, Keine Kommentare

Trauer um Berta Kals

BertaKals-portrait

Berta Kals

in der AN gab es heute schon einen freundlichen Nachruf zum Tod von Frau Berta Kals. Wir veröffentlichen hier zusätzlich ein persönliches Schreiben ihrer FreundInnen und Weggefährten zu ihrem Leben.

Zivilcourage, Mut, Überzeugung und zutiefst empfundene Menschlichkeit

Mit großem Respekt und großer Dankbarkeit nehmen wir Abschied von Berta Kals, die am 20.01.2016 im Alter von 92 Jahren verstorben ist. Zivilcourage, Mut, Überzeugung und zutiefst empfundene Menschlichkeit zeichneten Berta Kals aus.

Verweigerung der Annahme des Bundesverdienstkreuzes

BertaKals-Friedensbrunnen

„Friedensbrunnen“ (Berta Kals)

Als dem kurdischen Flüchtling aus dem Wanderkirchenasyl und Aachener Friedenspreisträger Hüseyin Calhan im Herbst 2000 die Abschiebung drohte, verweigerte Berta Kals die Annahme des Bundesverdienstkreuzes am Band. In der offiziellen Feierstunde im Weißen Saal des Aachener Rathauses Ende Oktober 2000 erklärte sie, dass sie die Auszeichnung erst annehme, wenn die Abschiebung Hüseyin Calhans aufgehoben sei, und er eine Duldung erhalten habe.
Mit ihrem couragierten Schritt hat Berta Kals ein unmissverständliches Zeichen gesetzt, das deutschlandweit Beachtung fand. Sie protestierte gegen eine unmenschliche Abschiebepolitik und zeigte Solidarität mit von Abschiebung bedrohten Flüchtlingen. Damals hat sie allen kurdischen Flüchtlingen im Wanderkirchenasyl Mut gemacht, ihnen gezeigt, dass sie nicht alleine stehen und ihnen so Kraft gegeben, nicht zu verzweifeln und in ihrem Bemühen um ein Bleiberecht nicht nachzulassen.

Trotz Abschiebung ein gutes Ende

Die Abschiebung Hüseyin Calhans konnte seinerzeit nicht verhindert werden. Ausschlaggebend war ein fachlich heftig umstrittenes amtsärztliches Gutachten des Paderborner Amtsarztes, der nicht über die vom Gericht geforderten fachlichen Qualifikationen verfügte.
Langfristig gab die weitere Entwicklung Berta Kals und ihrem mutigen Eintreten für Hüseyin Calhan recht. Das skandalöse ärztliche Gutachten führte schließlich dazu, dass von erfahrenen Fachärzten die überregionale Arbeitsgruppe „Standards zur Begutachtung psychotraumatisierter Menschen (SBPM)“ eingerichtet wurde mit dem Zweck, Gutachtenstandards zu formulieren, ein Fortbildungscurriculum zu entwickeln und in Zusammenarbeit mit den Kammern für Ärzte und Psychologen bundesweit zertifizierte Fortbildungsveranstaltungen für KollegInnen durchzuführen.

Solidarität endete nicht mit seiner Abschiebung

Die Solidarität der Aachener mit Hüseyin Calhan endete mit seiner Abschiebung nicht. Der Aachener Landtagsabgeordnete Rainer Priggen begleitete ihn zum Schutz während der Abschiebung in die Türkei, Aachener Unterstützer hielten den Kontakt mit Hüsyein Calhan in der Türkei. Nach der Rückkehr Hüseyin Calhans aus der Türkei im April 2002 erhielt Berta Kals ihre hochverdiente Auszeichnung.

Fast alle der insgesamt 400 kurdischen Flüchtlinge, die im Rahmen des Wanderkirchenasyls seit 1998 über vier Jahre lang gegen ihre drohende Abschiebung und Illegalisierung für ein menschenwürdiges Leben in Deutschland gekämpft hatten, konnten ein Bleiberecht erhalten.

In einem Interview mit der Aachener Zeitung vom 03.11.2000 erklärte Berta Kals „Ich bin keine politische Frau, ich handele aus christlichem Antrieb heraus.“

Gerade heute, wo so viele Menschen in Deutschland Schutz vor Verfolgung und Krieg suchen, ist und bleibt uns Berta Kals ein mahnendes und leuchtendes Vorbild. Wir sind froh und dankbar für die Begegnung mit ihr.

Unterzeichnet von:
Holger Brantin, Katholikenrat Aachen Stadt und Land
Hans Peter Bruchhoff, Evangelischer Kirchenkreis Aachen
Gerd Mertens, Büro der Regionaldekane
Dieter Spoo, Aachener Friedenspreis
Elisabeth Hodiamont, Refugio e.V., Café Zuflucht
Anna Kranz, ehem. Koordination des Wanderkirchenasyl
Dr. Herbert Kaefer, ehem. Pfarrer von St. Germanus Haaren
Gerhard Diefenbach, ehem. Vorsitzender des Vereins Aachener Friedenspreis
Andrea Genten, NRW-Flüchtlingsbeauftragte Andrea Genten

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