Antwort auf den Leserbrief von Detlef Peikert

15. April 2012 | Veröffentlicht von Markus Dahlem / aw, Keine Kommentare

 

Die Auseinandersetzung mit Herrn Peikert zeigt, dass die Auseinandersetzung mit Stolberg eine weitaus schwierigere ist.

Herr Peikert hat natürlich recht, dass es erfreulich ist, dass das Stolberger Bündnis gegen Radikalismus 900 Menschen mobilisieren konnte. Jedoch gibt es drei Aspekte die man dabei betrachten muss, welche Herr Peikert völlig übersieht.

Erstens sind 900 mobilisierte Menschen bei einer Bevölkerungszahl von 57,474 (1) nicht gerade viel und als Erfolg zu werten. Zudem war die Veranstaltung jenes Bündnisses dem Charakter nach einem Fest nachempfunden. Dementsprechend ist dieses zu bewerten. Somit ist die Zahl 900 erschreckend wenig. Besonders wenn man diese Zahl mit dem Mobilisierungspotential von rechts vergleicht. So erreichte die NPD bei der letzten Kommunalwahl 527 Stimmen.

Sucht man zudem den Überregionalen Vergleich mit ähnlichen Veranstaltungen gegen Neonazis, muss man feststellen, dass dort viel höhere Teilnehmerzahlen erreicht werden. Dies soll nicht ein Herunterspielen des stolberger Engagements sein und doch sind es Fakten, vor denen nicht die Augen verschlossen werden dürfen, auch wenn dies möglicherweise die bequemere Alternative darstellt. Diese Fakten machen ebenfalls deutlich, warum Nazis in der Stolberger Region so frei agieren können, obwohl sie, wie der Widerstand des Bündnisses gegen Radikalismus, eine absolute Minderheit in Stolberg sind.

Der zweite Aspekt ist der Charakter des Bündnisses. Alleine der Name macht deutlich, dass es hier nicht primär um den Kampf gegen Rechts geht. Dies sollte jeden kritischen Beobachter verwundern.

Fragen wir danach, inwiefern die Stadt Stolberg Probleme mit vermeintlich Linksradikalen hatten, müssen wir zum Zeitpunkt der Bündnisgründung hilflos die Schultern zucken. Aber fragen wir nach dem Konkreten. Welche linksradikale Organisation hat über Jahrzehnte ihre Jugend in Stolberg ausgebildet? Welche linksradikale Partei hat ihren 40 Jährigen Geburtstag in Stolberg gefeiert? Welche linksradikale Gruppe sieht in Stolberg ihr ruhiges Hinterland? Welche linksradikale Jugend stört jährlich den 1. Mai in Stolberg? An dieser Stelle könnten die Fragen weiter und weiter gehen, die Antwort dagegen ist klar, keine! Ein Bündnis das effektiv gegen Nazis kämpfen möchte, sollte den Gegner auch klar benennen. Der unreflektierte und aufweichende Begriff „Radikalismus“ macht nur deutlich, dass das Bündnis nicht begriffen hat welche Rolle Stolberg für den Rechtsextremismus spielt. Unsere Autorin Anne Waldgraf, hat dies in ihrem Artikel gut beleuchtet.

Herr Peikert sagt, man müsse auf eine gemeinsame Arbeit setzen um die StolbergerInnen für sich zu gewinnen. Doch auch diese Aussage ist kritisch zu prüfen. Recht hat er, dass die Stolberger Bevölkerung erreicht werden muss. Hier muss sich das Blockadebündnis die Kritik gefallen lassen, dass es das in diesem Jahr mehr schlecht als recht getan hat. Um die Menschen zu erreichen, muss man auch mit ihnen reden und vor allem ein interessantes Programm anbieten. Jedoch muss gleichzeitig festgehalten werden, dass ein solches Bemühen vom Stolberger Bündnis ausgegangen ist.

Dass der Weg, auf dem man die StolbergerInnen erreichen möchte, über das Bündnis gegen Radikalismus laufen muss, ist dagegen keine logische Konsequenz und in Frage zu stellen. Viel zu deutlich ist, dass auch dieses Bündnis überhaupt nicht die Mehrheit der Bevölkerung erreicht.

Zudem wenn man von einem Bündnispartner spricht, dann muss vorher eine Analyse des vermeintlichen Bündnispartners erfolgen. Dies scheint bei Herrn Peikert völlig zu fehlen. Das Bündnis gegen Radikalismus möchte zurück zu jenen Tagen, als das Leben in Stolberg schön ruhig war. Die StolbergerInnen sollen nicht mehr gestört werden, von den Außenstehenden, die jährlich nach Stolberg „pilgern“, um gegen die Nazis zu protestieren. Stolberg soll wieder Stolberg werden, jener Ort, an dem die Wiking Jugend ohne Störung über Jahrzehnte 15.000 junge Rechtsextremisten ausbilden konnten, der Ort, an dem sich eine der brutalsten und bestorganisierten Kameradschaften in der BRD entwickeln konnte, der Ort, an dem die NPD ihren 40 Geburtstag feiern wollte und konnte, der Ort, der erst 1986 Adolf Hitler die Ehrenbürgerschaft aberkannte.

Der Charakter des Bündnisses ist dementsprechend mehr als reaktionär. Dies soll aber nicht dem Einzelnen in diesem Bündnis absprechen, dass er eine ehrliche Positionierung gegen Faschismus anstrebt. Nur drängt sich dann immer mehr die Frage auf, ob dann dieses Bündnis der richtige Ort und Weg dafür ist.

Dies dürfte auch den Gründern der Antifa Stolberg durch den Kopf gegangen sein Anfang diesen Jahres.

Wie gering der progressive Charakter jenes Bündnisses ist, zeigt z.B. die Aktion von Jusos, Grüne Jugend und der Jungen Union. Diese Jugendorganisationen veranstalteten gemeinsam eine Reihe gegen Extremismus. Damit haben sich die Jusos Stolberg und die Grüne Jugend Stolberg gegen ihre eigenen Bundesvorstände gestellt, die sich klar gegen die Extremismusdoktrin geäußert haben. Diese Theorie wird von der Wissenschaft mehr als kritisch gesehen, wenn nicht sogar völlig abgelehnt.

Das ist die politische Realität in Stolberg. Dies kann auch nicht mit dem Satz relativiert werden „der Stolberger ist halt anders“, wie ihn das Bündnis gegen Radikalismus immer wieder herunter betet.

Der dritte Aspekt ist die logische Konsequenz aus dem zweiten. Wer in Stolberg eine Veränderung herbeiführen möchte, der die verstaubten Traditionen durchbrechen will, darf nicht auf die selben verstaubten Traditionen setzen. Die Aussagen des Blockadebündnis Stolberg Nazifrei waren immer sehr klug, dass alle Proteste in Stolberg sich ergänzen. Leider folgt das Bündnis gegen Radikalismus dieser Maxime nicht. Sie entsolidarisieren sich immer wieder, sei es durch eine einseitige Vereinnahmung von Erfolg oder dadurch, dass man seelenruhig zuschaut, wie andere Nazigegner über Stunden in der Sonne gekesselt werden ohne Trinken und Essen, oder das friedliche Blockierer über Stunden in Käfige eingesperrt werden oder eine angemeldete Demonstration nach massiven Polizeischikanen nicht stattfinden konnte.

In diesem Zusammenhang scheint die neugegründete Antifa Stolberg vielleicht eine Art Fünkchen der Hoffnung – besonders für junge Menschen einen anderen Weg des Protestes zu gehen – zu sein. Aber es liegt auch am Blockadebündnis mehr und offener auf die Stolberger zuzugehen. Ein krampfhaftes festhalten an gescheiterten Strukturen, legitimiert vielleicht die Arbeit der eigenen Organisation, nicht aber eine zukunftsorientierte Arbeit in Stolberg.

Herr Peikert sagt weiter, von mir etwas polemisiert, dass die Blockade den Nazis ermöglichte eine längere Strecke laufen zu dürfen. Dies ist erstens Falsch, da die Nazis ohne Transparent, ohne Sprechchöre bis zur Schneidmühle laufen mussten. Und wer diesen traurigen Aufmarsch gesehen hat, der weiß, dass den Nazis dies überhaupt nicht gefallen hat. Zweitens ist dies ein Faustschlag in das Gesicht all derer, die für ihre Überzeugung fünf Stunden in Käfige eingesperrt wurden. Herr Peikert sollte sich fragen, wer und wo sein Bündnispartner ist. Zudem sollte hier nicht gegen das Bündnis Stolberg Nazifrei von Seiten Herrn Peikerts gewettert werden, sondern doch viel mehr gegen die Polizeitaktik, die so etwas zu lässt.

Des weiteren führt der Leserbriefautor aus, dass nicht die Kundgebungen verhindert hätten, sondern die Polizei, dass die Nazis nicht zum Tatort konnten. Sicherlich hat die Polizei gerne diesen zusätzlichen Weg abgeschafft, da es immer sehr kompliziert war, die Nazidemo die Straße hinauf zu schicken und oben dann zu drehen. Aber es dürfte ein gutes Argument gewesen sein, dass zwei Kundgebungen von Nazigegnern in direkter Nähe angemeldet waren und dies war ja schon weit vor der eigentlichen Anmeldung der Homepage des Blockadebündnisses zu entnehmen. Warum dieser Erfolg nun zwanghaft der Polizei zugeschoben wird, entzieht sich der Aufnahmefähigkeit des Autors.

Sicherlich, hat Herr Peikert an einigen Stellen recht, aber man wird das Gefühl nicht los, dass man es hier mit einer rein theoretischen Perspektive, die an vielen Stellen sich zu dem als unreflektiert erweist, zu tun hat, der zu allem Überfluss auch noch die praktische Anwendung fehlt.

Leicht gesprochen, ist immer noch nicht leicht umgesetzt, dies gilt für mich als Autor, als auch für Herrn Peikert. Da es sich hierbei nicht um einen Artikel handelt, sondern um eine persönliche Stellungnahme zu Herrn Peikert, ist es mir am Ende wichtig zu sagen, warum ich eine Antwort für unumgänglich gehalten habe.

Die fatalistische und nur auf eine theoretisch abgehobene Ebene der Antwort von Herrn Peikert, zeigt nicht die reale Situation in Stolberg und als kritische Zeitung wollen wir die andere Seite Aufzeigen, jene Seite ,die die „normale“ Presse verschweigt und die unbequem ist. Das Bündnis gegen Radikalismus hat seine positive Presse bis zum Erbrechen erhalten. Das Blockadebündnis wurde entweder verschwiegen oder als „Linksautonome“ an den Rand gedrängt. Noch vor einem Jahr forderte das Bündnis gegen Radikalismus, dass das Blockadebündnis für einen friedlichen Protest wirbt. 2012 hat das Blockadebündnis eine friedliche Blockade errichtet. Gab es ein lobendes Wort des Bündnisses gegen Radikalismus? Es ist also die Aufgabe einer kritischen Zeitung all dies aufzuzeigen. Wenn wir ohne einen kritischen Gedanken nur wiedergeben würden, was Aachener Zeitung oder Aachener Nachrichten geschrieben haben, würden wir unsere eigenen Erwartungen und die unserer Leser nicht erfüllen. Eine kritische Betrachtung des Gegebenen ist sicherlich schwieriger, als auf einer Massenmeinung zu beharren.

 

(1) Amtliche Bevölkerungszahlen. Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW)

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